Corona-Testpanne: Markus Söder im Kreuzfeuer der Kritik

München - Nach der bayerischen Corona-Testpanne mit 900 nicht über ihre Infektionen informierten Urlaubsheimkehrern stehen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seine Staatsregierung massiv unter Druck. Scharfe Kritik kam von der Opposition im Bundestag: "900 positiv Corona-Getestete nicht zu informieren, ist Körperverletzung gegenüber denen, die diese anstecken", twitterte FDP-Vizefraktionschef Alexander Lambsdorff. "Wo ist Söder? Sonst immer vorneweg, schickt er jetzt seine Gesundheitsministerin vor. Peinlich".
Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, schrieb: "Das ist das Ergebnis einer Politik der CSU, die auf Show statt Substanz setzt."
"Vom Klappern versteht Söder weit mehr als vom Handwerk verantwortungsvoller Politik", spottete der Grünen-Landesvorsitzende Eike Hallitzky. Der bayerische SPD-Generalsekretär Uli Grötsch forderte im "Bayerischen Rundfunk" den Rücktritt von Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) und eine Erklärung Söders - wie auch der bayerische FDP-Fraktionschef Martin Hagen in der "Bild"-Zeitung.
Erst Huml, dann Söder: Pressekonferenzen zur Corona-Testpanne
Am Donnerstagnachmittag wollen sich Söder und Huml äußern - aber nacheinander. Für 14 Uhr lud das Gesundheitsministerium zu einer Pressekonferenz ein, mit Huml und dem Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Andreas Zapf. Und am späten Nachmittag werde sich dann Söder äußern, kündigte eine Sprecherin der Staatskanzlei an.
Das bayerische Gesundheitsministerium betonte, dass die 900 positiv Getesteten bis zum Donnerstagmittag informiert werden sollten. "Es wird telefoniert, die Menschen werden informiert", sagte ein Ministeriumssprecher. "Wir tun alles dafür, das umzusetzen, und sind zuversichtlich, dass wir das schaffen." Insgesamt waren bis Mittwochabend über 44.000 Testergebnisse noch nicht verschickt worden. Manche Urlauber warten seit zwei Wochen auf ihre Ergebnisse. Das ist der Zeitraum, der auch für eine freiwillige Quarantäne gilt.
Baerbock über Söder: "Schweres Versäumnis"
Grünen-Chefin Annalena Baerbock kritisiert die Panne bei Corona-Tests in Bayern als "schweres Versäumnis" und sieht CSU-Chef Markus Söder persönlich in der Verantwortung. "Wer sich als Ministerpräsident permanent als Krisenmanager inszeniert und sich selbst ständig auf die Schulter klopft, ist auch in der Verantwortung sicherzustellen, dass es funktioniert", sagte Baerbock am Donnerstag. Gerade in der Krise sei es für das Vertrauen in den Staat unabdingbar, dass Ankündigung und Handeln Hand in Hand gingen. "Diese Fehler müssen unverzüglich abgestellt werden."
Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) wirbt um Verständnis für die Behörden. Er rief Politiker und Beamte aber auch dazu auf, keine leeren Versprechungen zu machen. Die Bewältigung der Pandemie sei derzeit ein "Ritt auf der Rasierklinge", sagte Lucha am Donnerstag.
Lucha: "Das ist natürlich sehr ärgerlich, was in Bayern passiert ist." Allerdings arbeiteten Ärzte und Ehrenamtliche dort rund um die Uhr. "Da passieren Fehler, auch wenn das nicht sein sollte." Das Gesetz zur Testpflicht für Reiserückkehrer sei mit heißer Nadel gestrickt.
Kipping: "Söder entlarvt sich als Scheinriese im Krisenmanagement"
Linke-Chefin Katja Kipping attackiert Bayerns Ministerpräsidenten Söder scharf. "Söder entlarvt sich als Scheinriese im Krisenmanagement", sagte Kipping laut einer Mitteilung ihrer Partei am Donnerstag. "So wichtig die breite Verfügbarkeit kostenloser Corona-Tests ist, so wichtig ist eben auch der sorgfältige Umgang mit den Ergebnissen." Die verantwortungsbewusste Verwaltung der Testdaten und die schnelle Information der Getesteten erfordere die gleiche Aufmerksamkeit wie der Aufbau der Testzentren.
Die Mitarbeiter des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mussten in der Nacht zum Donnerstag Überstunden einlegen, um Testergebnisse zu verschicken. Am Donnerstag war dann die Corona-Hotline des Landesamts nicht mehr erreichbar. Das Bürgertelefon sei "aus organisatorischen Gründen" nicht besetzt und erst wieder am Freitag von 8 bis 18 Uhr erreichbar, hieß es am Donnerstagvormittag in einer automatischen Ansage. Das Landesamt ist die erste Stelle in Bayern für Corona-Tests und alle damit zusammenhängenden Fragen.
Corona-Testpanne: Spahn übt sich in Zurückhaltung
Die Staatsregierung bietet an drei Autobahnen, an Hauptbahnhöfen und Flughäfen freiwillige Corona-Tests für Urlaubsheimkehrer aus allen Bundesländern an. "Wir testen an der Grenze für ganz Deutschland", hatte Söder noch vor wenigen Tagen erklärt. Das geht über die Beschlüsse der Gesundheitsminister von Bund und Ländern hinaus, die im April lediglich freiwillige Tests an Flughäfen sowie Stichproben an Straßen in Grenznähe vereinbart hatten.
Seit dieser Woche übernehmen nach und nach private Anbieter den Betrieb. Damit soll auch die Datenübertragung an allen Stellen digitalisiert werden. Insgesamt gab es nach Angaben Humls bislang etwa 85.000 Tests. Zu Verspätungen kam es demnach vor allem beim Versand der Ergebnisse von Tests an Raststätten und Bahnhöfen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stimmte am Donnerstag nicht in den Chor der Kritiker ein: "Ministerpräsident Markus Söder hat ja selbst gesagt, das sei sehr ärgerlich. Das ist ohne Zweifel so. Gleichzeitig ist es so, dass in außergewöhnlichen Zeiten auch Fehler passieren", sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin". "Entscheidend ist, dass sie transparent gemacht werden und sie dann schnell behoben werden. Und das macht die bayerische Staatsregierung."
Lesen Sie hier: Panne bei Corona-Tests - Söder sagt Reise ab