VAG-Boss sagt: „Wir sind noch viel zu billig!“

Herbert Dombrowsky will um 15 Prozent höhere Tarife, um das Defizit im öffentlichen Nahverkehr zu senken.
NÜRNBERG Das war Rekord! Innerhalb von 30 Sekunden winkten die Nürnberger Stadträte gestern die Preiserhöhung für Busse und Bahnen durch. Um durchschnittlich 3,08 Prozent werden die Fahrscheine im Verkehrsverbund VGN ab Januar 2011 teurer. Für die Kurzstreckenstreifenkarte müssen die Kunden sogar 6,25 Prozent mehr bezahlen (AZ berichtete).
Kein Diskussionsbedarf in Sachen Nahverkehrs-Tarife? Das dürfte VAG-Boss Herbert Dombrowsky freuen. Denn der will noch mehr. Wenn es nach ihm geht, müssten die Preise um 15 Prozent steigen!
„Wir sind noch viel zu billig. Die Fahrgäste zahlen für die Leistung, die sie bei uns bekommen, viel zu wenig“, sagte er bei der Bilanzpressekonferenz der Städtischen Werke.
Im Deutschland-Vergleich liegen die VGN-Preise am unteren Ende der Skala
Er hat die Tarife von 16 vergleichbaren deutschen Großstädten und Verbünden analysieren lassen. Ergebnis: Nürnberg und der VGN liegen am unteren Ende der Skala. Die Einzelfahrt kostet hier 1,90 Euro. Bundesweiter Durchschnitt für eine solche Fahrkarte: 2,18 Euro. „Wir müssen unsere Fahrpreise auf dieses Niveau bringen“, sagte Dombrowsky. Heißt: Sie müssen um 15 Prozent steigen. Außerdem will er Rabatte abschaffen sowie Tagestickets, Zeit- und MobiCards überdurchschnittlich verteuern.
Hintergrund ist das Defizit, das die VAG in Nürnberg (181 Millionen Fahrgäste in 2009) einfährt. 65,7 Millionen Euro waren das im vergangenen Jahr (Straßenbahn: minus 28 Millionen, Busse: minus 40,7 Millionen, U-Bahn: plus 3 Millionen). In den Jahren zuvor lag das Minus noch viel höher: 2007 bei 72, 2008 bei 68 Millionen. Den Erfolg, das Defizit weiter abzubauen, sieht Dombrowsky nun gefährdet.
VAG fuhr ein Defizit von 65,7 Millionen Euro ein
Denn die Preissteigerungen, auf die sich die Partner im Verkehrsverbund VGN geeinigt haben und an die auch die VAG gebunden ist, reichen nicht aus, um das Defizit weiter zu verringern. Die VAG habe ihre Möglichkeiten ausgereizt, versicherte Dombrowsky. So spare beispielsweise allein die automatische U-Bahn jedes Jahr 4,75 Millionen Euro an Personalkosten. Mehr gehe nicht. Deshalb müssten nun die Fahrpreise überdurchschnittlich angehoben werden. Dombrowsky: „Sonst steigt unser Defizit wieder!“
Allerdings muss er nun erst einmal die Partner im VGN von der Notwendigkeit deftiger Preiserhöhungen überzeugen. Kommunen, die einen eigenen Verkehrsbetrieb haben, dürften eher mitziehen als Landkreise ohne eigenen Verkehrsbetrieb. Die müssten nämlich dann für die Schülerbeförderung erheblich mehr bezahlen. „Die Preismechanismen im VGN müssen auf jeden Fall grundlegend geändert werden“, so Dombrowskys Vorstandskollege Rainer Müller. Er stellt sich auf kompliziert Verhandlungen ein.
Und dann ist da noch die Politik. Dass die angesichts der 15-Prozent-Forderung des VAG-Bosses ähnlich still bleibt wie gestern die Nürnberger Stadträte, ist nicht zu vermuten. Dombrowsky jedenfalls hat die Diskussion über die Zukunft unseres Nahverkehrs eröffnet. Michael Reiner