V-Mann-Affäre: Übten Politiker Einfluss aus?

München - Der Bericht des Kriminalfachdezernats 4, Kommissariat 41, trägt das Datum vom 10. Dezember 2014, ist 147 Seiten stark, und fasst die Ermittlungen zusammen, die die Nürnberger Kripo gegen Beamte des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA) im Auftrag der Staatsanwaltschaft führt. Ein Dokument von höchster Brisanz. Innenminister Joachim Herrmann hat den Landtag darüber informiert, dass inzwischen gegen sechs Beamte des LKA unter anderem wegen Verdachts der Strafvereitelung im Amt ermittelt werde (AZ berichtete).
Lesen Sie hier: xxx
Die Anfänge des Falls, der jetzt die politische Ebene erreicht hat, führt Jahre zurück ins Rocker-Milieu Regensburgs und zu dem mehrfach vorbestraften Mario F., der für das LKA als V-Mann arbeitete und deshalb gefragt war, weil er Zugang in das nur schwer zugängliche Innenleben der „Bandidos“ hatte. Mario F., der 2013 in Würzburg vor Gericht stand, weil er mit zehn Gramm Drogen in der Unterhose erwischt worden war, hatte damals über die Art der Zusammenarbeit zwischen ihm und den LKA-Beamten eine Geschichte erzählt, die vom Gericht als Phantasiegebilde eingestuft wurde, ihm eine gutachterlich attestierte Psychose einhandelte – und gut sechs Jahre Gefängnis. Mario F. erzählte damals die Geschichte, die ihm um die Ohren flog, aber jetzt in dem Ermittlungsbericht der Kripo wieder eine wesentliche Rolle spielt.
Akten „nachträglich mehrfach verändert“
Seine Darstellung hörte sich so an, dass er mit Wissen und im Auftrag des LKA mit Drogen gehandelt und andere Straftaten begangen habe. Von Seiten des LKA wurde das vehement bestritten. Anwalt Alexander Schmidtgall lässt keinen Zweifel daran, wie er die Rolle des LKA-Apparates sieht: „Durch Falschaussagen wurde ein Unschuldiger verfolgt und ins Gefängnis befördert.“ Am Montag beginnt die Neuauflage des Drogenprozesses, „mit geänderten Vorzeichen“, erklärt er.
Die geänderte Ausgangslage geht aus dem Ermittlungsbericht der Kripo, der der AZ vorliegt, deutlich hervor. Bis ins Detail werden darin Vorgänge aufgeschlüsselt, die nichts anderes als den nahe liegenden Schluss belegen, dass die Behauptungen des V-Manns zu der offensichtlich mehr als fragwürdigen Rolle der LKA-Beamten doch nicht aus der Luft gegriffen sein könnten.
Bei den LKA-Ermittlungen stieß die Kripo auf noch mehr fragwürdige Vorgänge. So heißt es, dass die V-Mann-Akte „nachträglich mehrfach verändert wurde, um tatsächliche Erkenntnisse zu verschleiern.“ Begriffe zum Verhalten der LKA-Beamten wie „nachweisbar gelogen“ oder „absichtlich verschwiegen“ finden sich an vielen Stellen des Berichts.
"Machenschaften des LKA"
Die Landtagsfraktionen haben von der Staatsregierung einen Bericht über die Vorkommnisse angefordert. Das Interesse an der Ausleuchtung des Falls könnte auch für das Innenministerium zu einer Belastung werden. V-Mann Mario F., dem seine Kontakte zu den „Bandidos“ zu heiß geworden waren, hatte sich bereits Ende 2012 an den Landtag gewandt und um die Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm gebeten. Das Innenministerium, Dienstherr des LKA, lehnte das ab.
Deutlich reduzierter fiel die Mitwirkung des Innenministeriums bei der Aufhellung des Drogendelikts aus, das den V-Mann hinter Gittern brachte. „Seine V-Mann-Akte beim LKA“, sagt Anwalt Schmidtgall, „hätte die Machenschaften des LKA auffliegen lassen.“ Soweit kam es nicht. Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) war es, der dafür sorgte, dass die Akte dem Gericht nicht zugänglich gemacht wurde. Franz Schindler (SPD), der Vorsitzende des Rechtsausschusses, äußerte den Verdacht, dass auch eine Stellungnahme Ecks nicht korrekt gewesen sei.
Aus dem Ermittlungsbericht erschließt sich darüber hinaus eine Auffälligkeit, die auch nach Überzeugung von Rechtsanwalt Schmidtgall die Frage aufwirft, ob politischer Druck ausgeübt worden ist. Die Tatsache, dass der bei den Tricksereien als Hauptbeschuldigter geltende LKA-Beamte mit einer CSU-Politikerin verheiratet ist, die im gleichen Bezirk wie Staatssekretär Eck beheimatet ist, hat zumindest ein Gschmäckle.