Ursula Herrmann: LKA-Expertin belastet Angeklagten
AUGSBURG - Im Prozess um den gewaltsamen Tod von Ursula Herrmann hat die Gutachterin des Landeskriminalamtes ausgesagt: Sie konnte das beim Hauptangeklagten Werner M. (59) gefundene Tonbandgerät den Erpresseranrufen zuordnen - das Gerät ist die Stütze der Anklage.
Für die Anklage handelt es sich um das maßgebliche Beweismittel: Die mitgeschnittenen Erpresseranrufe sollen mit Hilfe eines bei dem Hauptangeklagten gefundenen Tonbandgeräts gemacht worden sein. Dagmar Boss, Phonetik-Expertin des Bayerischen Landeskrminalamtes, erklärte vor dem Augsburger Landgericht, dass sie mehrere übereinstimmende Merkmale zwischen dem Gerät und den Anrufen gefunden hat. Werner M. (59) ist gemeinsam mit seiner Frau des erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge angeklagt. Beide bestreiten die Tat. Die zehnjährige Ursula war nach der Entführung vor 28 Jahren in einer vergrabenen Holzkiste erstickt.
Die LKA-Expertin, die derzeit auch den Notruf des in Solln getöteten S-Bahn-Helden Dominik Brunner bearbeitet, sagte nun vor Gericht aus, sie hätte beim Drücken der Starttaste des Gerätes ein "Aha-Erlebnis" gehabt. Seit 20 Jahren ist die Kriminalistin mit dem Fall Ursula Herrmann beschäftigt. Das Schaltgeräusch der Mitschnitte der damaligen Erpresseranrufe hat sie in der Zeit 1000 Mal gehört. Es sei sehr ähnlich wie das Geräusch, das sie beim Einschalten des beim Angeklagten gefundenen Grundig TK 248 gehört habe.Ursache des charakteristischen Geräuschs sei unter anderem ein schräg stehender Aufnahmekopf an dem Gerät. "Wahrscheinlich" sei das Gerät, das bei einer Hausdurchsuchung 2007 bei Werner M. gefunden wurde, für die Anrufe im Jahre 1981 benutzt worden.
Bei den Eltern von Ursula gingen Erpresserbriefe ein und die ominösen Erpresseranrufe. Insgesamt waren es neun solcher „Schweige-Anrufe“. Jedesmal, wenn in der Wohnung von Ursulas Eltern das Telefon abgenommen worden war, ertönte die damalige Erkennungsmelodie des Verkehrsfunks von Bayern3, danach 30 Sekunden Stille – dann wurde aufgelegt.
Die Verzweiflung der Eltern
In der Verhandlung wurden diese Anrufe abgespielt. Noch einmal wurde das ganze Leid von Ursulas Eltern hörbar. Ihre Mutter reagierte auf das Schweigen und das Verkehrsfunk-Signal mit verzweifelten Appellen: "Wir haben ihren Brief bekommen." Die Familie wolle die zwei Millionen Mark bezahlen. "Aber die Bank hat zu. Sprechen Sie. Was ist mit Ursula?" Doch der Erpresser blieb stumm. Ursula war zu diesem Zeitpunkt bereits tot.
Die Verteidigung zweifelt an dem Beweismittel und fordert nun Verantwortliche vom BR zu hören, die sich zu der Produktion der Melodie äußern sollen.
John Schneider