Urlaubsgefühl im Ex-Kultlokal: Bei München eröffnet nun ein exotisches Restaurant

Einst war hier die Kultkneipe "Steinebacher". Nun ist das Restaurant "Hot Chilli" im alten Steinebacher Bahnhof und bietet authentische indonesische Küche – mit großem Erfolg.
von  Niclas Vaccalluzzo
Seit knapp vier Monaten ist das "Hot Chilli" im alten Steinebacher Bahnhof geöffnet und seitdem gut besucht.
Seit knapp vier Monaten ist das "Hot Chilli" im alten Steinebacher Bahnhof geöffnet und seitdem gut besucht. © Sigi Fischer

Wörthsee - Im historischen Bahnhof Steinebach in Wörthsee (Kreis Starnberg) war einst die legendäre Kultkneipe "Steinebacher". Hier traten Bands wie die Spider Murphy Gang auf und für die heutige Generation Ü40 war das Lokal wie ein zweites Wohnzimmer. Ab 1997 bekam man hier Livemusik, Speisen oder den letzten Absacker. 2011 gingen im "Steini" die Lichter aus. Jahrelang lief danach die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für die Kultkneipe – die Suche nach dem "Steinebacher Gefühl".

Ansturm auf das "Hot Chilli" am Wörthsee: "Es hat wirklich all unsere Erwartungen übertroffen"

So richtig hat das nicht geklappt, die darauffolgenden Pächter gaben nach wenigen Jahren auf. Danach passierte erst einmal wenig – bis nun Ayu Saraswati und ihr Mann Willy Müller mit ihrem indonesischen Restaurant "Hot Chilli" in den Bahnhof einzogen.

Im Oktober vergangenen Jahres eröffnete das Ehepaar das Lokal und wurde positiv überrascht: "Es hat wirklich all unsere Erwartungen übertroffen", sagt Müller der AZ. Von Tag eins an seien die rund 80 Plätze im Innenraum durchgehend ausgebucht gewesen. "Wir haben im Schnitt zwischen 1000 und 1500 reservierte Plätze im Vorlauf – sind also über Wochen voll belegt."

Ayu Saraswati und Willy Müller.
Ayu Saraswati und Willy Müller. © Niclas Vaccalluzzo

Funktioniert hat das mit balinesischer Küche. Und das mitten in Oberbayern. Was ist das Erfolgsrezept? "Ich glaube, es ist eine Kombination aus verschiedenen Faktoren", sagt Müller. "Wir legen sehr viel Wert auf Qualität und machen etwa jede Currypaste und jede Teigtasche selbst." Andererseits kämen auch die gute Anbindung und das freundliche Personal an. Außerdem – da sind sich Willy Müller und Ayu Saraswati einig – ist die balinesische Küche ein Alleinstellungsmerkmal. "Viele Menschen kommen her, weil sie ganz gezielt ein indonesisches Restaurant suchen."

Und das bekommen sie im "Hot Chilli" geboten, denn Saraswati ist auf Bali geboren und hat das Kochhandwerk quasi in die Wiege gelegt bekommen. "In meiner Heimat war es damals normal, dass ein Mädchen in der Küche mithilft, und in meiner Familie haben wir immer gemeinsam gekocht", erzählt Saraswati. "Da habe ich sehr viel gelernt."

Ende 2023 übernahm das Ehepaar den historischen Bahnhof am Wörthsee

Als sich Saraswati und Müller dann auf Bali begegneten und gemeinsam im Jahr 1995 nach Deutschland zogen, lernte sie erst einmal die deutsche Sprache – und zwar mit Rezeptbüchern, wie sie sagt.

Die exotische Küche brachte sie zunächst bei Freunden und auf Partys mit nach Deutschland. "Ich war das typische Fingerfood satt", so Saraswati. Später machte sich die Balinesin mit Kochkursen und Catering selbstständig und schließlich eröffnete das Ehepaar 2014 gemeinsam das erste "Hot Chilli" in Gilching. Dieses führten die beiden erfolgreich, bis sich die Gelegenheit bot, Ende 2023 den Steinebacher Bahnhof zu übernehmen.

"Den Bahnhof hatte ich schon lange im Blick", sagt Müller, der 200 Meter entfernt in einer ehemaligen Schule geboren wurde. Der Kontakt mit den Besitzern des historischen Gebäudes – es wurde von 1903 bis 1904 erbaut – kam im Lokal in Gilching zustande. "Sie hatten wohl von uns gehört und bei uns gegessen, bis dann schließlich ein Gespräch zustande kam." Einige Wochen später stand der Plan fest.

Besonderes Konzept: Alle sitzen an einem Tisch und teilen sich das Essen

Konzept und Name hat das Ehepaar weitgehend übernommen. Die "Lange Tafel", für die das "Hot Chilli" bereits bekannt war, gibt es nun immer sonntags im Steinebacher Bahnhof. Dabei handelt es sich um eine eigens entwickelte Idee von Müller und Saraswati. Die Gäste kommen alle zur selben Zeit ins Lokal und setzen sich gemeinsam an einen langen Tisch. Serviert wird ein vom indonesischen Koch kreiertes Menü, das sich alle miteinander teilen – wie auf Bali.

Für die restlichen Tage hat man eine feste Karte entwickelt mit typisch indonesischen Speisen. Am liebsten bereitet Saraswati "Pepes Ikan" zu – gebackenen Fisch im Bananenblatt. "Das sieht hübsch aus und schmeckt gut", sagt sie. Die Preise der Hauptspeisen liegen zwischen 15 und 25 Euro.

Die Gerichte unterschieden sich von anderen bekannten Speisen aus Asia-Restaurants in ihrer Frische und dem Zusammenspiel zahlreicher Aromen, sagt Müller. Das schmeckt auch der AZ-Redakteur heraus, der das "Ayam Bali", ein rotes Hähnchencurry mit Reis, laut Karte nach altem Familienrezept, probiert hat. Ein würzig-scharfes Gericht, das trotzdem leicht und frisch schmeckt.

Eng nebeneinander sitzen und sich mit Fremden das Essen teilen: Man könnte denken, in Deutschland ist das unmöglich. Doch es scheint gut anzukommen. "Für die Gäste ist das ein unglaublich schönes Erlebnis – es ist fast wie auf einer Familienfeier", sagt Müller. Mittlerweile kämen die Leute von überall her für die "Lange Tafel". Auch am Nachbartisch unterhalten sich Gäste begeistert über vergangene Besuche im "Hot Chilli" und die "Lange Tafel".

Kürzlich habe ein junges Promipaar an der Tafel Platz genommen und nebenan ein altes Ehepaar. "Die waren fast 90 Jahre alt und ich dachte erst: 'Hoffentlich geht das gut'", erinnert sich Müller. "Schlussendlich waren das die Letzten, die rausgegangen sind." Sowohl das Promi-, als auch das Rentnerpaar habe sich unabhängig voneinander für das schöne Erlebnis bedankt.

Ist das also das Steinebacher Gefühl, das jahrelang gefehlt hat? Bali in Bayern, exotische Speisen statt Hausmannskost und "Lange Tafel" statt Stammtisch? "Wir kannten das alte 'Steinebacher' und das hat uns natürlich viel Respekt eingehaucht, aber wir haben auch gesagt, dass wir das genau so nicht wiederherstellen können - aber wir versuchen eben dieses Steinebacher Gefühl zu erzeugen", erklärt Müller.

Auch Liveauftritte sollen in den Bahnhof zurückkehren

Das Lokal habe von Mittwoch bis Sonntag ohne zeitliche Begrenzung geöffnet. "Unter der Woche ist es um halb elf teilweise noch rappelvoll." Außerdem stünden für jedermann die Türen offen – vom 18-Jährigen, der einen Absacker trinken will, bis zum Seniorenpärchen, das ein kleines Abendessen wünscht. "Das ist genau das, was auch das alte 'Steinebacher' ausgemacht hat."

Ein weiterer wichtiger Aspekt soll künftig in den Bahnhof zurückkehren: "Wir planen für 2024 viele Kulturveranstaltungen." Anvisiert seien Liveauftritte verschiedener Künstler. "Das wollen wir auf jeden Fall wieder aufleben lassen – das gibt es hier in der Region kaum noch", sagt Müller. Auch der große Biergarten mit seinen knapp 120 Plätzen soll eröffnet werden.

Die Betreiber des Kultlokals von einst waren übrigens schon zu Besuch, sagt Müller. "Bei unserer Eröffnung im Oktober kamen sie, nachdem sie 13 Jahre nicht hier waren. Sie waren sehr glücklich und haben gesagt, bei uns fühlt es sich an wie im Wohnzimmer. Ein größeres Kompliment hätte es nicht geben können."

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