Untergang im Dreivierteltakt

Emmerich Kálmáns Operette „Die Csárdásfürstin“ hat am 4. April im Opernhaus Premiere.
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Liebe zwischen Nachtclub und Schloss, Frieden und Krieg: Szene aus Ricarda Regina Ludigkeits „Csárdásfürstin“-Inszenierung, die am Nürnberger Opernhaus Premiere hat.
Karen Stuke Liebe zwischen Nachtclub und Schloss, Frieden und Krieg: Szene aus Ricarda Regina Ludigkeits „Csárdásfürstin“-Inszenierung, die am Nürnberger Opernhaus Premiere hat.

NÜRNBERG - Emmerich Kálmáns Operette „Die Csárdásfürstin“ hat am 4. April im Opernhaus Premiere.

Zwischen Walzerseligkeit und Tanz auf dem Vulkan balanciert Emmerich Kálmáns Operettenhit „Die Csárdásfürstin“. Da wird nach Ohrwürmern geschnappt und zugleich mit Verve über den Abgrund des Ersten Weltkriegs gebrettert: „Hurrah! Hurrah! Man lebt ja nur einmal, und einmal ist keinmal, nur einmal lebt man ja!“ Peter Konwitschny provozierte mit seiner Dresdner Schützengraben-Inszenierung 1999 einen waschechten Skandal. Die Nürnberger Premiere am 4. April geht Regisseurin Ricarda Regina Ludigkeit mit Hrachuhí Bassénz als Sylva und Kurt Schober als Fürstensohn Edwin ruhiger an.

AZ: Frau Bassénz, Sylva Varescu wird als Star des Budapester Nachtlokals „Orpheum“ vorgestellt. Ist sie eine Schwester von „Traviata“-Callgirl Violetta?

HRACHUHÍ BASSÉNZ: Nein. Sylva ist kein Mädel, mit dem man spielt. Sie wahrt Distanz, und wenn ihr die Verehrer zu nahe kommen, sagt sie: Jetzt ist genug. Sie ist natürlich, besitzt Haltung. Dass sie durch und durch Theatermensch ist, hilft ihr auch dabei, ihre neue Rolle als Adlige auszufüllen.

Herr Schober, Edwin braucht drei Akte, um sich zu seiner Liebe zu bekennen. Ist er ein Feigling oder ein Spätzünder?

KURT SCHOBER: Als Darsteller ist man immer bemüht, die Schwächen seiner Rolle positiv zu deuten. Edwin weiß von Anfang an, dass er in Sylvia verliebt ist, er braucht nur lange, um das umzusetzen. Vielleicht zu lange. Von außen gesehen kann der Eindruck entstehen, dass er ein Feigling ist: aber ein lernfähiger.

Welche Rolle spielt der titelgebende ungarische Nationaltanz in der „Csárdásfürstin“?

SCHOBER: Der Csárdás ist für Ungarn das, was für die Wiener der Walzer ist. Er erklingt dann, wenn von tiefgründigem Gefühl die Rede ist, in Sylvas Auftrittslied, aber auch versteckt im Duett zwischen Sylva und Edwin.

Emmerich Kálmán hat die „Csárdásfürstin“ während des Ersten Weltkriegs geschrieben. Schlägt dieser Hintergrund durch?

SCHOBER: Sicher. Die Entstehungszeit 1914 und 1915 erklärt zum Beispiel die Untergangsstimmung im dritten Akt: Anfangs war ja die Kriegsbegeisterung groß, aber als nach einem Jahr kein Ende und vor allem nicht der gewünschte Erfolg in Sicht war, stellte sich Ernüchterung ein. Daher kommt auch der Versuch, mit Nummern wie „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ Schlechtes auszublenden und sich an das Schöne zu erinnern, sich abzulenken. Zum Schluss ist das Orpheum bankrott, da wird der Verfall auch auf der Bühne sichtbar.

BASSÉNZ: Wir haben mit dem Produktionsteam überlegt, dass Edwin am Ende nach einer kurzen, gücklichen Zeit wieder in den Krieg gehen könnte, es aber wieder verworfen.

Am Ende wird Sylva Fürstin. Steckt dahinter eine gesellschaftliche Utopie?

SCHOBER: Historisch war es ja so, dass sich der Adel zumindest formal auflöste. Das nimmt die Liebe, die über Konventionen siegt, schon vorweg. Dass Sylva im zweiten Akt sofort als Adelige durchgeht, ist — wie in „My Fair Lady“ — der Beweis für die Hinfälligkeit der Konvention.

Wie ernst muss man denn das Genre Operette nehmen?

SCHOBER: Müssen muss man gar nicht. Man kann einfach nur eine Operette anhören und sie schön finden. Aber als Darsteller sollte man die Konflikte ernst nehmen, sonst wird’s oberflächlich. Das gilt allerdings für Opern genauso.

BASSÉNZ: Man muss dem Publikum mehr geben als nur schöne Nummern.

SCHOBER: Je mehr von den Konflikten und Hintergründen der Operette drinbleibt, desto spannender wird es. Wenn man einer Inszenierung keine Tiefe gibt, dann hat man mit einer Operette schon alle gesehen.

Interview: Georg Kasch

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