„Uns fehlen Leute wie Jan und Erik“
100.000 Zuschauer? Die Veranstalter Freude sich über Zuspruch auf den Hüpfburgen. An der Strecke aber herrschte tote Hose.
NÜRNBERG Die kleine Fenja fand’s eher „blöd“. Während ihr Opa, Nürnbergs Sportbürgermeister Horst Förther (SPD), versuchte, die 18. Auflage des Radrennens „Rund um die Nürnberger Altstadt“ als „Findungsrennen“ zu definieren, wo sich der skandalgebeutelte Sport rehabilitieren könne, langweilte sich die 4-Jährige famos: „Nur die Hüpfburg war gut.“
Was auf und neben den Hüpfburgen am Färbertor los war, findet auch Chef-Organisator Jürgen Thielemann „sensationell“. Auch die „Schlangen“ vor den Erlebnis-Ständen der Sponsoren. Die Rennen selbst aber scheinen den meisten Nürnbergern mittlerweile ziemlich schnuppe zu sein.
Athleten mit „seitenlangen Medikamentenlisten“
„Wir sagen 100.000“, gibt Thielemann als offizielle Besucherzahl aus. Würde bedeuten: Bei einer Länge von 12,9 Kilometern wären gestern auf beiden Seiten der Strecke im Schnitt pro Meter jeweils 3,876 Zuschauer gestanden. Realistisch dürfte wohl ein Drittel der offiziellen Zuschauerzahl sei. So hatten sogar vor dem Opernhaus – dem Epizentrum des vermeintlichen Top-Events – die Streckenkiebitze Platz ohne Ende. Und das während der Hauptrennen! Andere Streckenabschnitte waren fast menschenleer.
„Uns fehlen halt Leute wie Jan Ullrich und Erik Zabel“, räumt Thielemann ein. Bloß: Wer will die noch sehen nach all den Lügen und Skandalen? Auch die anderen Ex-Stars sind beim Publikum nicht wohl gelitten: „Hör mir auf mit dem Armstrong. Das is’n Arsch für mich!“, fiel am Richard-Wagner-Platz ein Westfale Bürgermeister Förther ins Wort. Im Gegensatz zu den Protagonisten auf den Drahteseln war zumindest dieser Zeitgenosse riechbar gedopt.
Aber auch für die Radler bei „Rund um die Altstadt“ gilt: keine generellen Unschuldsvermutungen. Förther war erstaunt über die „seitenlangen Medikamentenlisten“, die jeder Sportler vor dem Start präsentiert: „Einer müsse das nehmen, der andere das, und Asthma haben ja fast alle.“ Ein Narr, wer im Profi-Radeln darauf verzichten würde, sich legal in Form zu dopen...
So Freude sich die Zuschauer über einen regenfreien Sonntagnachmittag mit Bier und Bratwurst und Hüpfburgen – der Radsport selbst scheint seine Faszination verloren zu haben.
S. Windschall