Und plötzlich wird's hier eng

  Hütten-Übernachtungen sind beliebt. Viele Wanderer reservieren jedoch nicht und stehen plötzlich vor der Tür. Die Folge: Überfüllung statt Berg-Gemütlichkeit. Was ein Pächter berichtet.
von  Julia Lenders
Das Bild trügt: Im Kärlingerhaus am Funtensee geht es oft ganz schön zu. Im Jahr übernachten hier fast 12 000 Menschen.
Das Bild trügt: Im Kärlingerhaus am Funtensee geht es oft ganz schön zu. Im Jahr übernachten hier fast 12 000 Menschen. © ho

 Hütten-Übernachtungen sind beliebt. Viele Wanderer reservieren jedoch nicht und stehen plötzlich vor der Tür. Die Folge: Überfüllung statt Berg-Gemütlichkeit. Was ein Pächter berichtet.

FUNTENSEE - Warten, bis endlich eine Toilette frei wird. Oder das Waschbecken, an dem man sich gerne die Zähne putzen würde. Oder ein Sitzplatz in der Stube. Wer schon einmal in einer überfüllten Berghütte übernachtet hat, weiß: Das ist wirklich kein Spaß.

Wenn es in den Unterkünften alles andere als gemütlich zugeht, ist das aber oft nicht den Wirtsleuten zuzuschreiben, sondern einem Teil der Wanderer selbst. Weil sie nicht reservieren, einfach mit Sack und Pack ankommen und um ein Bett bitten.

Sigi Hinterbrandner, der Pächter vom Kärlingerhaus am berühmten Funtensee, berichtet: „An einem Samstag heuer waren es um die 45 Leute, die unangemeldet vor der Tür standen.“ Täglich zwischen 20 bis 30 Gäste ohne Reservierung seien ganz normal. Mitunter kämen sogar Gruppen von bis zu zehn Leuten einfach so vorbei.

Im vorigen Jahr hat der Wirt deshalb einen Appell in der Alpenvereins-Zeitschrift Panorama veröffentlicht. „Bitte nicht ohne“, hieß die Überschrift. Ergebnis: Null. „Sogar Gruppen mit kleinen Kindern melden sich nicht an“, berichtet Hinterbrandner.

Andrea Bichler ist beim Deutschen Alpenverein (DAV) für die Verwaltung und das Marketing von Hütten zuständig. Sie bestätigt: „Das ist schon ein ziemliches Problem auf fast allen Hütten, die wir haben.“ Viele würden je nach Wetterlage kurzfristig entscheiden, ob sie in die Berge gehen oder nicht. Ohne vorherige Reservierung brächten sie dann aber die ganze Hütten-Logistik durcheinander.

Irgendein Schlafplatz findet sich zwar auch im Kärlingerhaus immer noch – und sei es im Notfall auf dem Fußboden im Flur. Doch Wirt Hinterbrandner weiß aus Erfahrung: „Wenn es übervoll ist, kann man nicht mehr die Qualität bieten, die man gerne anbieten würde.“

Der 50-Jährige sagt: „Darunter leiden dann diejenigen, die rechtzeitig reserviert haben.“ Zum Beispiel, weil viele Hauptgerichte ausgehen würden, die eigentlich für die angemeldeten Gäste eingeplant waren.

Wegschicken kann er trotzdem niemanden. „Wir haben Schutzhüttencharakter“, erklärt Andrea Bichler vom DAV. Wenn ein Wanderer bereits um elf Uhr morgens ankäme, könne der Wirt ihn vielleicht noch bitten, wieder abzusteigen. Aber wer die Hütte erst am späten Nachmittag erreiche, der brauche zwangsläufig eine Herberge.

Was antworten die Bergfexe denn, wenn sie gefragt werden, warum sie nicht reserviert haben? Pächter Hinterbrandner berichtet: „Manche sagen: Wir hätten ja reserviert, aber Sie waren schon voll.“ Andere behaupten, sie hätten in der Früh noch versucht anzurufen, aber niemanden erreicht.

Theoretisch ist ein Hüttenwirt zwar ohnehin verpflichtet, 25 Prozent seiner Schlafplätze freizuhalten. Aber zum einen gibt es Hütten wie das Kärlingerhaus, deren Gast- und Waschräume nicht reichen, wenn wirklich jedes Bett belegt ist. Und zum anderen buchen viele Pächter ihre Unterkunft trotzdem zu hundert Prozent voll, weil sie nach DAV-Angaben im Schnitt 25 Prozent Stornos haben.

Das ist nämlich das andere Extrem, das den Wirtsleuten zu schaffen macht: „Manche Hütten haben bis zu 300 no-shows im Jahr“, sagt Andrea Bichler. Also Menschen, die sich trotz vorheriger Reservierung nicht auf der Hütte blicken lassen.

Manche würden auch auf drei Hütten gleichzeitig reservieren – und dann je nach Wetterlage kurzfristig entscheiden, wo sie hingehen. Mal mit Absage. Mal ohne.

Die Konsequenz daraus: Inzwischen werden Wanderer in immer mehr Hütten zur Kasse gebeten, wenn sie ihre Pläne ändern. Der DAV hat nämlich eine Storno-Empfehlung beschlossen, die heuer in Kraft getreten ist. Demnach sollen Wanderer bis zu fünf Tage vorher kostenlos stornieren können. Danach werden zehn Euro pro Person und Nacht fällig.

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