Überwintern in Sitzlandschaft

Zwischen Schlaglichtern und Schlaglöchern: OB Ulrich Maly überreichte in der Tafelhalle die Nürnberger Kulturförderpreise und Stipendien 2009.
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Platz genommen für die Preisträger: Alle Ausgezeichneten des Jahres 2009 beim Gruppenfoto in der Tafelhalle.
Klaus Schillinger Platz genommen für die Preisträger: Alle Ausgezeichneten des Jahres 2009 beim Gruppenfoto in der Tafelhalle.

NÜRNBERG - Zwischen Schlaglichtern und Schlaglöchern: OB Ulrich Maly überreichte in der Tafelhalle die Nürnberger Kulturförderpreise und Stipendien 2009.

„Halt die Waffel“, sagte der Nürnberger Oberbürgermeister. Und das war nicht die vorweggenommene Analyse eines wortreichen Abends, der dann folgen sollte. Sondern der ins Allgemeinverständliche übersetzte ärztliche Therapie-Vorschlag für Kulturreferentin Julia Lehner. Der hatte es die Stimme verschlagen. Also machte OB Ulrich Maly in ihrer Abwesenheit den Wowereit und sprach beim „Heimatabend der Nürnberger Kulturszene“, wie er spöttelnd die Preisverleihung in der vollbesetzten Tafelhalle nannte, vor dem finalen Geldregen für sechs Gruppen und Künstler erstmal grundsätzlich über städtische Finanzlöcher.

60 bis 80 Millionen Euro tief ist „das Loch, dessen Boden wir noch nicht sehen“: „Ich weiß nicht, wie’s weitergeht, das weiß niemand“, sagte Maly. „Es wird nicht zum Kahlschlag kommen, aber wir werden überwintern müssen,“ ergänzte er. 2013, so die Prognosen, könnte die Krise der Normalität gewichen sein. Aber auch jetzt sei Kulturförderung „keine freiwillige Leistung“, sondern „kommunale Pflichtaufgabe“.

Wie bei „pessimistischer Theorie“ die „optimistische Praxis“ funktioniert, führte man vor versammelter Szene – Museumsdirektoren, Kulturmanager, Kunstprofessoren, Politiker und ehemalige Preisträger – in gebotenem Kontrast vor. Zwischen Brit-Pop und Burma, Bach und Bossa war Platz für eine Sitzlandschaft (zum Parken der Geehrten) und Entdeckungen. Maly wusste nach den zuckenden Dampfeinlagen der Rock-Band The Audience unter der Discokugel, dass es eine „Hersbrucker Schule“ gibt, und lobte die singende Schauspielerin Michaela Domes: „Wer Robert Gernhardt mag, muss ein guter Mensch sein“.

Domes (sie ist in der Schauspiel-Produktion „Eine Familie“ ab 19. Dezember in der Tafelhalle dabei und lobt „ein tolles Stück“) und The Audience (zwischen Norwegen und Italien im Einsatz) gehörten zu den vier Empfängern eines Kultur-Stipendiums (je 2500 Euro). Wie Jazz-Reformator Reinhold Horn („Stimmenfang“), der mit Bossa-Elfe Yara Linss einer seiner Schützlinge zum Ständchen ranließ, und der vielseitige Lorenzkantor Matthias Ank, der Musik von Bach bis Eisler im Schüttelbecher aufwirbelte – mit anachronistischem Koffer-Harmonium und zirpendem Moog.

Förderpreisträgerin Christiane Neudecker kündigte ihr neues Buch „Das siamesische Klavier“ an und unterstrich mit der Lesung aus ihrem Burma-Roman ihre Schreibkraft. Wie man im Burgtheater Karriere macht von der Putzfrau zur Vereinsvorsitzenden, erläuterte Kiki Schmidt im Gespräch mit Moderatorin Corinna Mielke, die eifrig im Dienst am Talk in Laudatoren-freier Zone war. Das Burgtheater füllte Leerstellen mit pointierten Video-Erinnerungen an „Schlaglichter und Schlaglöcher“ auf. Martin Buchholz wedelte darin mit einer AZ-Schlagzeile und dem Wort „Kabarett-Star“, Richard Rogler zeigte sich entrüstet, dass das Brettl den Förderpreis (5000 Euro) erst mit 25 Jahren und nicht mit 20 bekommen habe.

Den etwas matten Gesamteindruck des Heimatabends konnten solche unterhaltsamen Stimmungsspurts nicht wegwischen. Aber die Einladungsvorgabe „Ende gegen 24.00 Uhr“ erfüllten viele dann doch bereitwillig, beim Party-Palaver ein Stockwerk tiefer. Andreas Radlmaier

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