Ude und Gauweiler: Das Gipfeltreffen der Querköpfe

Der eine ziemlich links, der andere stramm konservativ: So standen sich Christian Ude und Peter Gauweiler im Revolte-Jahr 1968 gegenüber. 50 Jahre später lassen sie das Ganze Revue passieren.
von  Martina Scheffler
Diskutierten 50 Jahre danach über 1968: Christian Ude (l.) und Peter Gauweiler.
Diskutierten 50 Jahre danach über 1968: Christian Ude (l.) und Peter Gauweiler. © dpa

München - München, 1968: Die Studentenproteste erreichen die bayerische Landeshauptstadt. Links steht damals Christian Ude (SPD), Zeitungsredakteur und 25 Jahre später Oberbürgermeister von München. Auf der anderen Seite Peter Gauweiler, gerade in die CSU eingetreten, später Umweltminister und stellvertretender Parteivorsitzender. Heute sind beide Politrentner.

Zu einem Rückblick auf das Revolte-Jahr haben sich die beiden nun zusammengesetzt. Ude und Gauweiler kennen sich lange, gelten beide innerhalb ihrer Parteien als Querköpfe. Im Rückblick auf 1968 findet Ude, damals bei der Süddeutschen Zeitung zuständig für Schulen und Hochschulen, manches peinlich. Etwa die "irrationale Bewunderung" für Ho Chí Minh oder Mao Tse-tung.

Christian Ude: Selber nie mit einem Mao-Plakat rumgelaufen

"Wie kann eine Generation, die derartig für sich in Anspruch nimmt, die sensibelste in Fragen der Diktatur und ihrer Früherkennung zu sein, derartige Diktatoren und Tyrannen mit einer Blutspur der Millionen Toten, so unkritisch sehen und sogar feiern", fragt er sich heute. "Das ist mir im Nachhinein peinlich, wobei ich selber nie mit einem Mao-Plakat rumgelaufen bin, aber eben auch keinen Anstoß daran genommen habe, dass andere es taten."

Er selbst habe sich damals in einem Zwiespalt befunden. Er habe sich als SPD-Mitglied im Umfeld linker Jungsozialisten bewegt, sei als SZ-Redakteur aber vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund "nur als Scheißliberaler" oder noch schlimmer "Repräsentant der bürgerlichen Presse" betitelt worden.

Peter Gauweiler: "Mir tut überhaupt nichts leid."

"Zwischen den Stühlen" sah sich damals auch Gauweiler, und "immer als hochpolitisch und als kontra". Fehler in der 1968 so aufgeheizten Atmosphäre bedauert Gauweiler nicht: "Mir tut überhaupt nichts leid."

Ude übt dagegen deutliche Selbstkritik: "Was mich befremdet - und an dieser späten Einsicht ist der Rundfunk schuld - ist der Ton, den wir damals angeschlagen haben. Es gibt da eine Parteitagsreportage mit Originalton, und über meine Rede kann ich nur sagen: So einen Kerl würde ich heute nicht mehr ertragen. Diese oberlehrerhafte Lust an der Unterweisung, diese naseweise Rechthaberei mit soeben erst aufgeschnappten Soziologensprüchen, diese verletzende Aggressivität."

Wo bleibt das Positive an 1968?

Die heutige Jugend will Ude nicht als unpolitisch abtun: "Wenn man sich aber anschaut, was junge Leute heutzutage tatsächlich machen, ob früher in irgendwelchen Initiativen als Kernkraftgegner oder ganz aktuell in der Flüchtlingshilfe, dann sind die an realen politischen Verhältnissen vielleicht sogar näher dran."

Und wo bitte bleibt das Positive an 1968? "Sie haben bestimmte Verkrampfungen mit sich rumgeschleppt, aber haben auch der Gesellschaft das Tanzstundenhafte, das Verzopfte genommen", räumt Gauweiler ein.

Und die Gleichberechtigung? Die 68er seien "ganz schöne Chauvis" gewesen, findet Ude. "Ihr Verhältnis zur Sexualität war eigentlich ein Wunsch nach freier Verfügbarkeit attraktiver Kommilitoninnen." Erst die Frauen selbst hätten eine Wende bewirkt.

Gauweiler fällt zu dem Thema eine Anekdote ein, die an heutige Femen-Auftritte erinnert: "Der Adorno, der hat in Frankfurt einen Herzanfall bekommen, wie sich die Frauen ausgezogen haben in der Vorlesung." Ude kontert: "Es war halt auch nicht seine Kommunikationsebene."

Gauweiler vermisst die früher intensiv geführten Debatten zwischen politischen Gegnern und das "Ringen um den richtigen Weg" in der aktuellen Politik.


Im Kurzporträt: Christian Ude

Christian Ude wurde 1947 in München geboren und trat 1966 in die SPD ein. 1967 wurde er Volontär bei der „SZ“. Er studierte Jura und arbeitete von 1979 bis 1990 als Rechtsanwalt. 1993 wurde er zum Münchner Oberbürgermeister gewählt – Gegenkandidat: Peter Gauweiler.

Im Kurzporträt: Peter Gauweiler

Peter Gauweiler wurde 1949 in München geboren und trat 1968 in die CSU ein. 1990 bis 1994 war er Bayerischer Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen. Von 2002 bis 2015 saß der Rechtsanwalt im Bundestag. Nach Differenzen verzichtete er auf sein Bundestagsmandat.

Lesen Sie hier: Mehr Meldungen aus dem Bereich Politik

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.