Trotz Lockdown in die Berge: Polizei appelliert an Bevölkerung
Garmisch-Partenkirchen - In den bayerischen Ausflugsgebieten herrscht erneut hoher Andrang an Tagestouristen. Die Folgen der Sehnsucht nach den Bergen sind Staus, überfüllte Parkplätze und Krankenhäuser. Dennoch zieht es trotz des Lockdowns wieder etliche in die beliebten Bergregionen.
Ausflug in die Berge: Touristen ignorieren Schutz-Gebiete
"Es war eine Katastrophe", sagt AZ-Leserin Dunja Frank aus Garmisch über die vergangene Neujahrswoche. "Die Ausflügler haben sich aufgeführt - die sind auf die Almen gerannt, haben sich nicht an die Wild-Schutz-Schon-Gebiete gehalten, sind quer durch die Wälder und haben Müll hinterlassen". Das Schlimmste jedoch sei der Verkehr gewesen. "Stundenlanger Stau, vom Eibsee bis Farchant", so die Anwohnerin.
Dieses Wochenende seien in Bayern durch das bedeckte, relativ kühle Wetter wieder weniger Ausflügler als am Wochenende zuvor unterwegs gewesen, sagte der Miesbacher Landrat Olaf von Löwis der AZ. Der hatte sich vergangene Woche mit einem Brandbrief per SMS an Ministerpräsident Markus Söder gewandt (beide CSU), wie er selbst mitgeteilt hatte. "Bei uns ufert der Tagestourismus aus. Es brennt wirklich", schrieb er an den Landesvater und die Stimmkreisabgeordnete Ilse Aigner (CSU).
"Die Nerven sind nach diesem Jahr bei jedem angespannt", so von Löwis. Und weiter: "Wir verstehen jeden, der in die Natur will. Aber dann muss man eben eine Zeit lang von der eigenen Haustür aus spazieren gehen".
Von Löwis fordert: "Ausflüge nur um den eigenen Wohnort"
Um Ärzte und Pfleger, Bergwachtler und Polizisten zu schützen, spreche er sich folglich dafür aus, Ausflüge nur im unmittelbaren Umfeld des Wohnortes von 15 Kilometern zu machen. "In Bayern sei das aufgrund rechtlicher Bestimmungen nicht möglich, sagte man uns", berichtete von Löwis auf AZ-Nachfrage. Der Landrat wünsche sich ein einheitliches Vorgehen mit umliegenden (Alpen-)Landkreisen, um zu verhindern, dass das Kreis-Krankenhaus Agatharied nicht überlastet werde. Durch die Behandlung der Corona-Patienten sei es bereits extrem gefordert.
Das erkennt auch der Schlierseer Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer. "Bei so vielen Menschen, die sich im Landkreis bewegen, gibt es dann natürlich auch überdurchschnittlich viele Verletzte", sagte er der AZ. Auch er könne sich demnach vorstellen, die Ausgangsbeschränkung soweit zu verschärfen, dass jeder nur noch im eigenen Landkreis Ausflüge unternehmen dürfe.
"Durch vermehrte Unfälle werden außerdem Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst, aber insbesondere auch die Bergwacht stark eingespannt - immer mit der Gefahr, sich selbst und andere bei Einsätzen zu infizieren", sagte von Löwis. Und Schnitzenbaumer weiter: "Wir sind eine Gegend, die begnadet ist - dass die Menschen zu uns kommen, ist natürlich auch gewollt. Wir freuen uns, wenn das wieder möglich ist." Im Moment gebe die Infrastruktur dies jedoch nicht her. Als weitere Maßnahme gegen den erhöhten Andrang lasse der Landkreis aktuell einzelne Straßensperrungen und Parkverbote, insbesondere im Bereich Spitzingsee, rechtlich prüfen.
500 Verwarnungen wegen Wildparkens
Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd sagte auf AZ-Anfrage: "Wir haben zahlreiche touristische Hotspots, die viele als Tagesausflüge wahrnehmen." Das bringe Verkehrsprobleme mit sich, wie etwa zugeparkte Rettungswege. Dies sei allerdings schon vor Corona ein Problem zu beliebten Ausflugszeiten gewesen. In Miesbach allein wurden jedoch am vergangenen Wochenende 500 Verwarnungen wegen Wildparkens ausgestellt.
Die Sprecherin der Alpenbahnen Spitzingsee, Antonia Asenstorfer, sieht zudem eine Gefahr durch die Menschenansammlungen: Sie teilte der AZ mit: "Wir sind der Ansicht, dass wir die Besucherströme mit einem kontrollierten Betrieb besser hätten steuern können". Trotz Parkplatzeinweiser und Parkgebühren sei der Parkplatz Stümpflingbahn mit etwa 1.000 Fahrzeugen am Wochenende gut belegt gewesen. "Es war und ist viel los", sagte sie.
Bürgermeister Schnitzenbauer: "Kein freier Parkplatz mehr"
Franz Schnitzenbaumer fasste zusammen: "Wir waren extrem stark besucht, genauso wie letztes Wochenende, obwohl das Wetter nicht so gut war". Und weiter: "Der Ansturm ist enorm. Es gab keinen freien Parkplatz im Halteverbot mehr".
Hunderte Schlittenfahrer tummelten sich selbst auf kleinen Hügeln und die Tourengeher bevölkerten die Skipisten. "Die Menschen kommen aber aus ganz Oberbayern zu uns - und ich sage jetzt ganz bewusst Menschen und nicht die Münchner - weil, dieses München-Bashing gefällt mir gar nicht", sagt Schnitzenbauer. In normalen Zeiten wären viele auch in Österreich im Urlaub, so der Schlierseer Bürgermeister, es ziehe die Menschen raus in die Natur. "Die Abstände werden nicht eingehalten", sagt er. Manche Gastronomen hätten gar Verkaufsstände aufgemacht, wo sich Schlangen gebildet hätten - "ohne Abstand, nah beinander, das ist nicht verantwortungsvoll".
Im Landkreis Miesbach sorgte am Wochenende ein selbstgebasteltes "Anti-München"-Schild für Diskussionen. Neben einem Münchner Kennzeichen lautete die eindeutige Botschaft: "Wir wollen Euch nicht".
"Wir sind alle aufeinander angewiesen", so Schnitzenbauer, und weiter: "Wenn man da jetzt anfängt, ein Münchner Kennzeichen zu verteufeln, das kann ich nicht für gut halten, das entspricht nicht unserem Bild vom Zusammenleben."