Tropenmediziner Ochel: "Dramatisch wie im Krieg"

Würzburg – Wenn der Würzburger Arzt Klemens Ochel derzeit Menschen begrüßt, verzichtet er auf den sonst üblichen Handschlag. Lieber lächelt er seine Gesprächspartner freundlich an, nimmt Abstand und sagt: "Bitte nicht die Hand geben. Sie wissen ja - Ebola". Noch vor wenigen Tagen war der 55-Jährige im afrikanischen Liberia. Der Tropenmediziner entwarnt aber auch: "Ich hatte keinen Kontakt mit Kranken, doch sicher ist sicher."
Im Auftrag des Missionsärztlichen Instituts (MI) und des Hilfswerks Misereor war Ochel in Liberias Hauptstadt Monrovia gereist, um dort katholische Gesundheitszentren zu besuchen. Sein Auftrag war es, den Bedarf an Hilfsmaterial zu ermitteln. Die katholische Kirche betreibt in Liberia 20 solcher Zentren und zwei Krankenhäuser; 16 davon seien derzeit in Betrieb, die anderen mussten wegen Ebola schließen. Zehn Prozent der Bevölkerung können somit versorgt werden.
"Das ist nicht genug", sagt Ochel. Seiner Meinung nach müssten Bundesregierung und Bundeswehr zusätzliche humanitäre Hilfe leisten. "Die Situation ist dramatisch", meint Ochel im Rückblick auf die sieben Tage in Liberia. Die Lage sei wie im Krieg oder nach einem Erdbeben. "Monrovia ist derzeit das Epizentrum der Krankheit."
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat bis vergangenen Samstag (24.10.) weltweit mehr als 10 000 Ebola-Infizierte registriert. Die Zahl der Todesfälle stieg auf knapp 5000. Die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher liegen. In Liberia sei die Situation besonders akut. Dort gebe es ein Missverhältnis zwischen den niedrigen Zahlen, die vom offiziellen Kliniküberwachungssystem gemeldet werden, und Berichten von Laboren und medizinischen Ersthelfern, die von einer hohen Zahl neuer Fälle sprechen.
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Die Diskrepanz fiel auch Ochel auf. Es sei dramatisch, dass die Krankheit sich schnell in Richtung Osten und Elfenbeinküste ausbreite. "Monrovia allein zählt heute 1500 Krankheitsfälle. Wenn nichts unternommen wird, verdoppelt sich die Zahl alle zwei Wochen." Viele aus den medizinisch schlecht versorgten Dörfern strömten derzeit nach Monrovia. "Da viele von ihnen oft mittellos sind, leben sie in Slums." Und dort könne sich das Virus ungehemmt ausbreiten.
Die Aufklärungsarbeit sei deshalb enorm wichtig. Besonders die Kirchen und kirchlichen Einrichtungen könnten sie übernehmen. Die Menschen vor Ort müssten alles über Hygieneverhalten oder Umgang mit Toten lernen. Andernfalls könne ein Erkrankter in der Regel zwei bis vier Menschen anstecken. Zum Teil sei diese Erkenntnis schon angekommen. "Die Menschen gehen hier alle paar Tage auf Märkten frisch einkaufen. Man versucht allerdings, sich nicht zu berühren."
Ochel war selbst dabei, als auf der Straße ein Kranker zusammenbrach. "Sofort bildete sich ein großer Kreis um ihn mit fünf Metern Abstand. Niemand wollte helfen, man rief die Ambulanz, die in Schutzanzügen kam." Angst vor einer Ansteckung habe Ochel nicht gehabt. Großer Respekt vor der Krankheit sei aber trotzdem da. Bevor er nach Liberia aufbrach, bereitete er sich in einem der Ebola-Kurse in Würzburg vor. Dabei übte er das langwierige An- und Ausziehen der Schutzanzüge und vertiefte sein Wissen zum Schutz vor der Krankheit. "Für die grundsätzliche Arbeit im Krisengebiet ist man damit bestens gewappnet", sagt er, schränkt aber ein, dass diese Zweitagesschulungen nur Schnupperkurse seien. Wer nach Liberia wirklich als Helfer gehen wolle, müsse sein Wissen weiter vertiefen. Die Kurse befähigten nicht zum Umgang mit Patienten. Ochels Familie steht voll hinter ihm. Seine Frau arbeitet ebenfalls im sozialen Bereich und unterstützte ihn von Anfang an. Ochel möchte dazu beitragen, dass gefährliche Infektionskrankheiten wie Ebola schneller unter Kontrolle zu bringen sind. Er appelliert an die Weltgemeinschaft und fordert mehr Hilfsbereitschaft und Solidarität. Auch MI-Geschäftsführer Michael Kuhnert wünscht sich entschlosseneres Handeln der Weltgemeinschaft. "Schon lange vor Ebola war die Gesundheit in diesen Ländern ein Riesenproblem." Viren wie Ebola oder HIV seien nicht neu. "Ebola hat auch mit uns zu tun", sagt Kuhnert. Anstatt sich zu sorgen, ob das Virus für Deutschland eine Bedrohung darstellt, sollte sich jeder überlegen, ob er den Menschen in Westafrika mit einer Spende helfen kann.