Trissy und Allen auf der Flucht: „Schiebt uns nicht ab!“

Am Samstag haben sie zuletzt miteinander telefoniert: Schluchzend verabschiedeten sich die Geschwister Trissy (13) und Allen (15) von Timea S. (43) und deren beiden Töchtern. Wenig später sollten Trissy und Allen abgeschoben werden – zurück in ihre Heimat USA, wo sie niemand vermisst.
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Allen(15, Bild) und Trissy (13) leben seit vier Jahren in Baldham – jetzt sind die beiden Kinder verschwunden.
Petra Schramek Allen(15, Bild) und Trissy (13) leben seit vier Jahren in Baldham – jetzt sind die beiden Kinder verschwunden.

HEIMSTETTEN - Am Samstag haben sie zuletzt miteinander telefoniert: Schluchzend verabschiedeten sich die Geschwister Trissy (13) und Allen (15) von Timea S. (43) und deren beiden Töchtern. Wenig später sollten Trissy und Allen abgeschoben werden – zurück in ihre Heimat USA, wo sie niemand vermisst.

Dabei wünschten sich Trissy und Allen nichts mehr, als hier zu bleiben. Bei der Baldhamerin Timea S. und ihrer Familie fanden die Kinder erstmals Geborgenheit und Wärme. Die Tagesmutter will die zwei bei sich aufnehmen. Doch das Jugendamt Ebersberg gab ihr keine Chance. Nun sind die Geschwister in der Nacht zum Sonntag aus dem Heim geflüchtet, in dem sie zuletzt untergebracht waren. Die Flucht hatten sie immer wieder angedroht – wenn sie abgeschoben werden. Laut einem ärztlichen Attest sind sie traumatisiert und suizidgefährdet. Nun sucht sie die Polizei.

Sie hatten sich auf einem Spielplatz kennen gelernt: Trissy, Allen und die jüngste Tochter (15) von Timea S. Die Jugendlichen freundeten sich an, auch Timea S. und ihr Mann lernten die Geschwister kennen. Eines Tages vertrauten sie sich Timea S. an: „Sie lebten seit vier Jahren illegal bei amerikanischen Bekannten ihrer Eltern. Trissy und Allen wurden vor den Behörden versteckt, gingen nicht zur Schule. Sie erzählten, dass sie verprügelt und misshandelt wurden“, berichtet Timea S.

2004 hatte der eigene Vater seine Kinder mit einer Vollmacht über das Sorgerecht nach Deutschland geschickt. Auch er hatte sie misshandelt, wollte nichts mehr von seinen Kindern wissen. Die Mutter war schon vor zehn Jahren aus dem Leben ihrer Kinder verschwunden, sie hat das Sorgerecht abgegeben, zurzeit sitzt sie in den USA im Gefängnis.

Herzzerreißende Briefe

Timea S., die in Ungarn Sozialpädagogik studierte, arbeitet seit 19 Jahren als Tagesmutter mit dem Münchner und Ebersberger Jugendamt zusammen. Im Juli informierte sie das Ebersberger Amt über den Fall. Die Geschwister kamen vorübergehend in ein Heim in Heimstetten. Oft sahen sie die Familie S., für die Kinder wurde die Familie immer wichtiger. Die Geschwister schrieben herzzerreißende Briefe. Etwa Trissy: „I want to come and live with you'll forever. I want you to be my mother, father and sisters", (Ich möchte zu Euch kommen und ewig mit Euch zusammenleben. Ich möchte, dass ihr meine Mutter, mein Vater und meine Geschwister seid.) Und: „Ihr seid die besten Menschen, denen ich jemals begegnet bin...“

Timea S. bot zunächst an, eine Pflegebereitschaft für die Kinder zu übernehmen: „Ich wollte das kostenlos machen.“ Zudem stellte sie einen Antrag auf eine Vormundschaft, besuchte mit ihrem Mann ein entsprechendes Seminar. Die Familie teilte schon die Wohnung neu ein: Die zwei Mädchen sollten in ein Zimmer, Allen ein eigenes bekommen, dafür wollten die Eltern im Wohnzimmer schlafen.

Doch zunächst war das Jugendamt sorgeberechtigt. Und das handelte ruckzuck: „Bevor die Kinder angehört wurden oder einen Verfahrenspfleger bekamen, wurde die Rückführung beschlossen“, sagt Timea S. Am Mittwoch hätten die Kinder erstmals vom Gericht gehört werden sollen.

Der Bürgermeister wollte vermitteln

„Ich bin überrascht, wie schnell das jetzt ging“, sagte Vaterstettens Bürgermeister Robert Niedergesäß (CSU) zur AZ. „Ich halte Frau S. für grundsätzlich geeignet, die Kinder zu erziehen.“ Er wollte vermitteln. Doch für Landrat Gottlieb Fauth, Chef des zuständigen Jugendamtes, ist der Fall klar: „Nach dem Ausländergesetz hätten wir die Kinder viel früher abschieben können. Das Jugendamt hat zum Wohle der Kinder entschieden. Sie werden schließlich nicht in den Irak oder nach Vietnam zurückgeschickt. Die USA sind ein sozialer Rechtsstaat.“

Wo Trissy und Allen nun sind, weiß niemand. Timea S.: „Ich habe Angst um die Kinder. Draußen ist es kalt. Wie lange werden sie durchhalten? Es ist entsetzlich, dass es so weit gekommen ist. Die beiden brauchen endlich Hilfe, vor allem einen Anwalt und einen Verfahrenspfleger, der ihre Interessen vertritt.“

Nina Job

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