Travoltas Finger in die heiße Luft gestreckt
Ein „Bal Simultan“ und doch nicht gleichzeitig: Beim Festival-Finale übte der Großraum noch. Es war mehr ein stotternder Tanzkurs mit angeschlossener Party-Nachtschicht.
Billy Elliott war leider verhindert, aber John Travolta durfte seinen Zeigefinger hundertfach in die heiße Luft strecken. Nachdem jeder „Garn aufgewickelt“, mit seinen Eurythmieschuhen einen Kreis gefahren, sich mit „erhobenen Händen Tante Gertrud“ genähert und dem Nachbarn mit krabbelnder Handarbeit die Frisur ruiniert hatte. So rätselhaft kann nur das Tanzvergnügen sein! Gedrängte Chorus Line in der Nürnberger Tafelhalle, als Choreographin Beate Höhn beim Finale des Festivals „Tanzen!08“ zum dreistündigen Bewegungscrash- kurs lud (45 Minuten Eselsbrücken-Anleitung für 50 Sekunden gelebter Ausdruck).
Vom vollmundigen Netzwerk-Motto vom „Le Bal Moderne Simultan“ musste sich niemand angesprochen fühlen. Weder die Schritt-Macher in Nürnberg, Fürth, Schwabach und Erlangen. Noch die Schritt-Folger. Simultan beim Rumsteher-Ball mit Kronleuchter-Aura waren weder die wogenden Körper noch das Rahmen-Konzept, das die gemeinsame Großräumigkeit hauptsächlich durch eine Video-Konferenzschaltung im Energiespargang illustrierte. Eins nach dem anderen. Selbst zum Finale bewegte sich jede Stadt im eigenen Rhythmus und nicht übergreifend als Metropolitan Dancefloor. „So schön vernetzt waren wir noch nie“ hatte Erlangens Kulturreferent Dieter Rossmeissl von der Leinwand herab bilanzierend frohlockt: „Der Großraum funktioniert.“ Naja, der Großraum übt noch.
Probestadium
Schon der viergeteilte Einstieg der Profi-Tänzer mit Tollwut und Wehmut, Fußangelei und Kriech de Deux blieb im angestrengten Probe-Stadium stecken. Das Simualtane beschränkte sich auf Stefan Poetzsch’ widerhakelnde Tonspur. Später dann wies Moderator Dirk Elwert, der frühere Nürnberger „Tanzwerker“ mit erstaunlicher Zweitkarriere als Casting-Juror bei „You Can Dance“, jede Verantwortung von sich: „Was an diesem Abend passiert, damit haben wir nichts zu tun.“ So schwitzte man sich durch Mambo und Disco, Schottischen Rundtanz, Dancehall und Wasserpflanzen-Pirouette. Schritt, Kreuz, Side und Tip. Je später das Saturday Night Fever, desto freestyliger die Figuren und glücklicher die Gesichter bei einem Ball, der mehr stotternder Tanzkurs mit angeschlossener Party-Nachtschicht war.
So war „Tanzen!08“ auch zum Schluss eher Amateur-Plattform zum Mitmachen als Glanz-Vorführung zum Anstaunen. Aber: Es gab schon viel missglücktere Festival-Konzepte, trösten Insider. Und überhaupt: 44000 Füße haben – zwischen Bauchtanz und Egerländer – in der beschwingten Bilanz der Großraumpfleger dafür abgestimmt. „Und die Region hat’s doch gebraucht“, sagt Projektleiterin Ruth Kiefer triumphierend. Nun soll das Volksfestival Zukunft haben. Die ist bekanntlich weiblich. Die Zielgruppe beim Finale bestätigte das.
Andreas Radlmaier
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