Traumklarer Wahnsinn

NÜRNBERG - Helge Schneider macht auf seinem „Akopalüze nau!!!“-Halt im Nürnberger Serenadenhof frischen Rock’n’Jazz und virtuosen Nonsense.
Trinkpausen während eines Konzerts sind keiner Rede wert. Helge Schneider aber, Meister des traumklaren Wahnsinns, macht eine Szene daraus: Nimmt die Flasche, schaut sie an, öffnet sie, philosophiert über Schleichwerbung, setzt zum Schluck an, spricht weiter und stellt nach minutenlangen Wortumwegen am noch immer unbespielten Flügel fest: „Ich kann doch machen, was ich will“.
Das Publikum frisst ihm aus der Hand
Recht hat er. Das Publikum im Nürnberger Serenadenhof, wo Schneider auf seiner „Akopalüze nau!!!“-Tour an zwei Abenden hellsichtigen Unsinn zelebriert, frisst ihm ohnehin aus der Hand. Auch, wenn Helges Standard-Witz über seine goldene Trompete auf Kosten der Gäste geht: „Die habe ich versilbern lassen, damit die Kluft zwischen Arm und Reich nicht so groß ist.“ Sagt’s und deutet auf sich und über die Rampe. Am Hals baumelt ein goldenes Dollarzeichen, er parodiert Weltfriedensbarden, große Rockgesten und lässt Pete York fünf Minuten meisterlich leichthändig übers Schlagzeug dribbeln, derweil er im Hintergrund seinem Nachwuchs die Bühne zeigt.
Oft reicht Helge Schneider dem Publikum den kleinen Finger, verweigert aber die ganze Hand. Er spielt bekannte Lieder an, ohne sie zu singen, patzt auf der Trompete und lässt Witze im unverständlich brabbelnden Pennerton verebben. Eine Hand voll legendärer Songs tröpfelt dann doch ins Programm, „Hast du eine Mutter, dann hast du immer Butter“, „Telefonmann“ und „Schüttel dein Haar für mich“. „Katzeklo“ wird zum von Bodo Oesterling gesungenen Refrain, um den herum Helge vokalexotisch experimentiert.
Fabelgeschichten übers Papstauto und seinen Sterbehilfejob
Oft ist seine ausgestellte Verweigerungshaltung, sein zelebrierter Dilettantismus von einer grandiosen Komik. Im Detail wird’s ohnehin vertrackt: Beim fingierten Udo-Lindenberg-Duett sitzt der Teufel in der Textstruktur. Und der improvisiert klingende Rock’n Jazz von Schneider, York, Rudi Contra am Bass und Sandro Giampietro an der Gitarre ist allein schon das Kommen wert.
Da wirken Helges funkelnde Fabelgeschichten übers Papstauto oder seinen Sterbehilfejob wie virtuose Zugaben, nach dem Colombo-Prinzip erzählt: Da war noch was...Auf die finale Zugabe aber pfeift er: es wird ein wortloses Schlaflied draus, das die Begeisterung zielgerichtet ins Bett schickt. Georg Kasch