Transrapid: Mit Tempo 400 ins Museum

Das endgültige Aus für den Transrapid: Woher die Schwebebahn-Idee eigentlich kam – und warum sie schließlich keine Chance mehr hatte.
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Beim Modell bleibt es: Der Transrapid.
dpa Beim Modell bleibt es: Der Transrapid.

MÜNCHEN - Das endgültige Aus für den Transrapid: Woher die Schwebebahn-Idee eigentlich kam – und warum sie schließlich keine Chance mehr hatte.

Nun ist er ein Fall für das Verkehrsmuseum: der knallrote Flieger ohne Flügel, der seit einigen Jahren vor dem Terminal 2 am Münchner Flughafen herumsteht und eigentlich Werbung für eine neue, angeblich goldene Zukunft des rasend schnellen Reisens machen sollte. Der Transrapid, von dem noch ein Prototyp auf einer Teststrecke im Emsland fährt, hat ausgeschwebt.

74 Jahre nach dem deutschen Patent für die Magnetschwebetechnik verabschiedet sich das Land von einem Traum, der für viele eher ein Albtraum war: Das Reisen am Boden mit 400 bis 500 Stundenkilometern. Noch in den 60er und 70er Jahren gehörte der schwebende Zug zum Repertoire der ganz großen Zukunftsvisionen wie der individuelle Atomhubschrauber und Ferien auf dem Mond. Im Gegensatz zu solchen Fantasien konnte der Transrapid aber tatsächlich gebaut werden. Doch während seine Fans in ihm ein hyperschnelles, leises und umweltfreundliches Supermobil sahen, mutierte er für seine Gegner zum Sinnbild für eine zerstörerische Fortschrittsgläubigkeit, für das sinnlose und letztendlich fatale Rasen der industrialisierten Welt.

Hamburg – Berlin? Metrorapid durchs Ruhrgebiet? Alles gescheitert, weil zu teuer, zu aufwändig, zu viele Hürden. Übrig blieb nur München mit der Flughafenstrecke, eine Art Entscheidungsschlacht um die Schwebe-Sache. Am Schluss waren die Emotionen so hochgefahren und die Standpunkte so unversöhnlich, dass es gar nicht mehr um die praktischen Fragen von Realisierbarkeit und Perspektive ging, sondern um eine Art religiöse Angelegenheit: Glaubst du an Technik und ewigen Fortschritt? Oder: Fürchtest du dich und betest deshalb zur Express-S-Bahn?

Glaubst du an Technik und ewigen Fortschritt?

Womöglich war es aber gar nicht nur die Skepsis der Technikfeinde, die den Traum zum Platzen brachte (die Finanzprobleme sind erst deren Folge), sondern die bürokratische Verzagtheit, mit der solche Unternehmungen heute durch die „Verfahren“ geschleppt werden. Sie machen es dem Bürger kaum noch möglich, hinter einem Wust von Bedenken und Verordnungen die Idee einer Sache zu erkennen.

Man muss als Beispiel nur mal jenen Satz der Münchner Planungsreferentin betrachten, mit dem sie ihren Vortrag am 20. Februar 2002 vor dem Münchner Stadtrat einleitete: „Nachfolgend wird über die Beschlusslage in Sachen Transrapid für München, den Sach- und Planungsstand, die Einleitung des Raumordnungsverfahrens durch die Regierung von Oberbayern und die von der Stadtverwaltung durchgeführten Überprüfungen mit Anhörung der Bezirksausschüsse berichtet und die erarbeitete gesamtstädtische Stellungnahme zur Beschlussfassung vorgelegt.“ – Wer soll da noch verstehen, um was es bei dem Ding eigentlich geht beziehungsweise gegangen wäre?

Wie ein dicker, flacher ICE

Oft zitiert und trotzdem wahr: Auch die Eisenbahn ist nicht erfunden worden, damit die Fürther schneller nach Nürnberg kommen. Aber irgendwo musste sie ja mit dem Fahren anfangen, auch wenn’s wirtschaftlich gesehen erst mal grober Unfug war. Wer den Transrapid im Emsland testen konnte, musste jedenfalls Unspektakuläres feststellen: Das Ding fühlt sich an wie ein dicker, flacher ICE, der auch bei Spitzengeschwindigkeiten seinen Fahrgästen einen tadellosen Fahrkomfort bietet und seine Umwelt mit erstaunlich niedrigem Geräuschpegel behelligt. Man kann ihn so gesehen weder mit Raketen noch mit Rennwagen vergleichen, denn er ist in allem eine sanfte Erscheinung – nur nicht beim Tempo.

Das Ende einer Vision

Die Vision vom Hochgeschwindigkeitsreisen ohne fossile Brennstoffe ist nun aber vorbei. Nichts mehr bleibt übrig außer einer Forderung der hessischen FDP von gestern Nachmittag (so tief kann man auch beim Schweben sinken): Der Transrapid solle doch nun bitteschön zwischen den Flughäfen Frankfurt und Hahn gebaut werden. Es werden aber wohl trotzdem nicht die Hessen sein, die in Zukunft Transrapid- Technik verkaufen. Sondern die Chinesen.

Michael Grill

"10 Minuten": Die berühmte Rede des größten Transrapid-Fans

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