Trainer Oenning vor Gericht: Mehr Punkte als der Club
Der Coach bestritt eine Tempofahrt auf der A3, doch die Richterin erkannte ihn wieder. Bei der Verhandlung kam heraus, dass er offensichtlich schon einige Male vorher als Raser aufgefallen war
NÜRNBERG In den knallroten Turnschuhen, mit denen Club-Trainer Michael Oenning (43) am Dienstag so scheinbar locker durch die langen Gänge des Justizgebäudes schlenderte, steckt ein wahrer Bleifuß. Und der macht dem unkonventionellen Fußball-Lehrer richtig Ärger...
Michael Oenning selbst hat es auf einen Prozess vor dem Nürnberger Amtsgericht ankommen lassen. Die Verkehrspolizei hatte ihn auf einem Videomitschnitt als rasanten Fahrer eines Audi identifiziert, der bei Kilometer 402 mit 150 Sachen über die A3 fegte. Erlaubt waren an dieser Stelle nur 120. Oenning bestritt, am Steuer dieses Wagens gesessen zu sein. Er weigerte sich, die fällige 100-Euro-Strafe zu bezahlen. Daraufhin war ein Prozess unumgänglich.
Richterin Silke Weidner fackelte auf der Suche nach der Wahrheit nicht lange herum: Sie ließ das Video vorführen, das die Polizei von dem Autobahnraser gemacht hatte. Hinterher war der Bundesliga-Trainer der Einzige, der sich auf den Bildern nicht wiedererkannte. Da nützte auch der Hinweis seiner Anwältin Anabell Adrian nichts, die die mangelnde Bildschärfe kritisierte. Richterin Weidner ließ sich nicht beeindrucken: „Es besteht kein Zweifel, dass Herr Oenning darauf zu sehen ist.“ Sie orientierte sich vor allem an der „ungewöhnlichen Frisur“ und dem „markanten Bart“ des Schnellfahrers.
Statt 100 muss er nur noch 50 Euro zahlen
Oenning, der vor der Verhandlung noch schnell Autogramme für Justizangestellte auf Schreibblöcke kritzelte, zeigte sich ausgesprochen wortkarg. Fragen von Journalisten ignorierte er mit unbewegtem Gesicht. Nicht viel redseliger war er dann auch im Sitzungssaal. „Ich bin nicht gefahren“, war sein einziger bemerkenswerter Satz. Immerhin erhielt er am Ende einen kleinen Bonus. Statt 100 Euro muss er jetzt nur noch die Hälfte zahlen.
Wesentlich wichtiger für Michael Oenning ist allerdings die Tatsache, dass dadurch sein Punktekonto in der Flensburger Verkehrssünder-Kartei nicht allzu zu schnell anschwillt. Das könnte dem notorischen „Bleifuß-Ritter“ nämlich den Führerschein kosten. Sechs Mal, so kam bei der Verhandlung heraus, ist er den Behörden bereits als Temposünder aufgefallen. Sein privater Punktestand in Flensburg ist damit größer als der derzeitige vom Club in der Bundesliga.
Richterin Weidner wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Oenning vor knapp zwei Jahren bereits an einem behördlich angeregten Seminar teilnahm, das notorsche Raser mit Gruppentherapie und Probefahrten besänftigen soll. Damals stand der Bundesliga-Coach bereits kurz vor dem Führerscheinentzug. Langsamer wurde er deshalb offenbar trotzdem nicht.
Helmut Reister