Tote Goldfische im kahlen Eck

NÜRNBERG - In „Cosmic Baseball“ lotet das Erfolgsteam von „Neue Vahr Süd“ am Gostner Hoftheater das Schicksal des Beat-Poeten Jack Karouac aus.
So aktuell ist Theater selten: Da streiten gerade die Literaturexperten, ob die 17-jährige, zum Jungstar erklärte Helene Hegemann bei einem Schriftstellerkollegen abgeschrieben hat. Auf der Bühne des Gostner Hoftheaters wirft Neil Cassady dem einstigen Freund und Weggefährten Jack (Karouac, der hier wie einer seiner Charaktere Duluoz heißt) vor, sein Leben ausgesaugt und veröffentlicht zu haben.
In Regisseur Ulf Goerkes und Dramatiker Joerg Bitterichs biographischer Collage „Cosmic Baseball — Das Blut des Poeten Jack Karouac“ prallen zwei aufeinander, denen vom wüsten Trip durch Amerika nur Erinnerungen bleiben. Denn Jack ist ausgebrannt: Unentschlossen pendelt Andreas Hilschers Dichter zwischen manuskripttapezierter Wand und Schreibmaschine, ein Zauderer und Antäuscher, der seine Wortschwälle als rhythmische Fetzen hervorstößt.
Einer, dem ständig jemand ins Genick zu schlagen scheint. Als zum maroden Selbstbewusstsein trotz Messias-Gesten und den moralinsauren Eltern der Erfolg seines „Unterwegs“-Romans kommt, bleibt nur noch der Alkohol: Ein Journalist nimmt Jack im Interview auseinander, Fans zeigen sich „unglaublich inspiriert“ und wollen ihm doch nur an die Unterwäsche, auch die Dichterfreunde Alan Ginsberg und William S. Burroughs sind keine Hilfe.
Nach dem Gostner-Erfolg von „Neue Vahr Süd“ vor zweieinhalb Jahren hat sich das Team um Goerke und Bitterich mit „Cosmic Baseball“ ein Wunsch-Projekt erfüllt als Textentwicklung zwischen Schreibtisch und Improvisation. Sein stimmiger Groove allerdings verheddert sich in biographischen Details, die entweder den Erzählsog hemmen oder beim Puzzeln mit Zeit und Personen fehlen.
Dass der Abend weder daran noch am selbstgerechten Dichter-Gejammer erstickt, liegt an den Rückblenden ins wilde Leben und an den Nebenfiguren, die Golo Euler und Thomas Witte mit Lust an Nuancen wie Albtraumgrimassen aufscheinen lassen. Auch am atmosphärischen Drive zwischen angejaultem „In The Jungle“, knisterndem Bebop vom Plattenteller und Videobildern aus glücklicheren Gostenhofer Freundschaftstagen.
„Jung sterben ist nicht mehr“, stellt Jack irgendwann ironisch fest. Und erstarrt, weil er weder die Kunst des Jungbleibens noch die des Erwachsenwerdens beherrscht, als „dicker, versoffener“ und „verrückter katholischer Mystiker“ vor toten Goldfischen im kahlen Eck. Keine guten Aussichten für Helene Hegemann. Georg Kasch
Wieder 12., 13., 17.-20., 24.-26. Februar, Karten Tel. 0911/261510