Tödliches U-Bahn-Drama: Wer betreut die Augenzeugen?
Ehemaliger Fahrer warnt vor den psychischen Folgen für die Fahrgäste. VAG hält auch für sie Notfallseelsorger im Fall des Falles bereit .
NÜRNBERG Die fahrerlose U-Bahn ist gerade für junge Fahrgäste eine Sensation: Endlich einmal Lokführer mit freier Sicht auf die Gleise spielen dürfen! Und auch Erwachsene können sich der Faszination kaum entziehen, direkt vorne dran zu sein. Was aber, wenn dieser Erste-Reihe-Platz nicht den „Kindertraum Lokführer“ zeigt. Sondern eine Sequenz aus einem Horror-Film? Was, wenn ein Mensch – wie letzte Woche am Rathenauplatz geschehen – auf die Gleise stürzt, direkt vor den Augen der Fahrgäste? Günter Huppmann, pensionierter U-Bahnfahrer aus Nürnberg kann den Schock nachfühlen: „Ein Leben lang sieht man diese Bilder vor sich.“
68 Jahre ist Huppmann jetzt alt. Der Nürnberger war 1972 einer der ersten, die die U-Bahn lenkten. „Glücklicherweise hatte ich nie einen Personenunfall. Die Angst davor aber fuhr immer mit. Kollegen ist es passiert. Ich kenne so viele, die danach schwere Depressionen hatten.“
Unterschied zwischen Psyche des Gastes und der des Fahrers?
Die „Geister-Bahn“ fasziniert auch ihn. Aber trotzdem dreht es dem erfahrenen Bahnerer den Magen um: Was, wenn Kinder Augenzeugen werden? „Man müsste da etwas tun“, fordert er. Er denkt beispielsweise an verdunkelte Scheiben für den Fall des Falles.
Susanne Muhlert von der VAG sieht das nicht so. „Diese Szenen darf man sich nicht wie in einem Comic vorstellen. Im Inneren der Bahn sieht man den Unfall kaum. Der Unterschied zwischen dem Erleben eines Fahrers und dem des Gastes ist folgender: Der Fahrer denkt, er habe ,aktiv’ jemanden überfahren, er habe also nicht mehr reagieren können. Das ist ein Unterschied zur Psyche des Gastes. Denn der Gast hat in keinem Fall eine Möglichkeit, aktiv einzugreifen.“
Weiterhin meint Muhlert, der Anblick eines solchen Unfalles sei vor allem für die auf die U-Bahn Wartenden fürchterlich. Und wie beim jüngsten Unfall hält die VAG Notfallseelsorger bereit – auch für die Fahrgäste. „Vergangene Woche haben drei Zeugen sofort das Hilfsangebot abgelehnt. Einer hatte es sich vorbehalten, sich zu melden.“ Dieses Angebot, mit Psychologen reden zu können, stünde immer, so Muhlert. sw
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