Tödliche Geiselnahme am Tegernsee: Hintergründe der Tat weiter offen – Polizei veröffentlicht neue Details

Ein Mann nimmt seine Partnerin als Geisel und verletzt sie tödlich. Bei dem Einsatz am Tegernsee stirbt dann auch er. Der Ort steht unter Schock. Die Details.
von  Leonie Meltzer, Ruth Schormann, Sabine Dobel, Valentin Gensch
Ein Polizeiauto steht vor dem Tatort: Am Tegernsee hatte ein Mann seine Frau als Geisel genommen und sie getötet. Im Anschluss wurde der Mann bei einem Notzugriff von der Polizei erschossen.
Ein Polizeiauto steht vor dem Tatort: Am Tegernsee hatte ein Mann seine Frau als Geisel genommen und sie getötet. Im Anschluss wurde der Mann bei einem Notzugriff von der Polizei erschossen. © Uwe Lein/dpa

Tegernsee - Was ist in diesem Idyll direkt am See nur passiert? Hier in Tegernsee hat ein 46-Jähriger seine Lebensgefährtin (25), die Mutter eines kleinen Kindes, umgebracht. Erstochen mit einem Messer. Der Mann sei laut Polizei nicht vorbelastet, es liefen aber Ermittlungen im Zusammenhang mit früherer häuslicher Gewalt.

Die Polizei, die eine Nachbarin zu dem lautstarken Streit hinzugerufen hatte, konnte die entsetzliche Tat nicht mehr verhindern – der Täter bedrohte einen der Beamten bei dem Einsatz selbst, sodass dieser zwei Schüsse abgab.
Laut Polizei tötete einer davon den Mann. Trotz sofortiger Reanimationsmaßnahmen überlebte Rosario I. nicht. Seine Partnerin Cristina V. hatte so schwere Stichverletzungen, dass sie trotz Reanimationsversuchen noch am Tatort starb.

Am Tag nach dem Drama in dem Mehrfamilienhaus ist der Großeinsatz das beherrschende Thema in Tegernsee. So gut wie jeder hat mitbekommen, was am Vorabend hier passiert ist, die Spurensicherung ist gestern Nachmittag noch im Einsatz und immer wieder auf dem Balkon des Paares zu sehen.

Wie im Bilderbuch: der Blick vom Leeberg, wo die Wohnung des Paares liegt.
Wie im Bilderbuch: der Blick vom Leeberg, wo die Wohnung des Paares liegt. © Leonie Meltzer

"Ich wohne im Erdgeschoss", berichtet ein Nachbar. Und weiter: "Aber zu dem Zeitpunkt war ich nicht da. Wir durften auch erst spät am Abend wieder zurück in unsere Wohnungen." Kontakt habe er zu dem Paar keinen gehabt. "Keiner kennt sich wirklich im Haus." Viele Male habe er jedoch gehört, wie sich das Paar stritt. "Immer und immer Streit", erzählt er.

Bis 24 Uhr sei die Polizei im Einsatz gewesen, bevor die Bewohner des Mehrfamilienhauses wieder zurück in ihre Wohnungen konnten, weiß eine Passantin. "Mein Schatz lebt in der Wohnung unter dem Paar", sagt sie. "Bei dir ist Blaulicht, habe ich zu ihm gesagt." Eine andere Fußgängerin hat auch von dem Vorfall mit zwei Toten gehört. "Ich bin hier eigentlich nur auf Reha", erzählt sie.
"Aber im ganzen Hotel wird nur darüber geredet – der ganze Ort weiß davon. Es ist wahnsinnig schrecklich, was da passiert ist.“

"Es ist furchtbar – sie haben ja ein zweijähriges Kind"

Ein paar Schritte weiter die Straße runter ist das Idyll fast noch komplett. Im Souvenirgeschäft mit Blick auf den Tegernsee werden Edelweißanhänger, König-Ludwig-Krüge und andere alpenländische Souvenirs verkauft. Trotzdem hat man auch hier die Aufregung der vergangenen Nacht mitbekommen. "Die ganze Straße war gesperrt", erzählt die Verkäuferin. "Es ist furchtbar – das Paar hinterlässt ja ein zweijähriges Kind", sagt sie.

Was könnte das Motiv für die grausame Tat gewesen sein? In Sozialen Medien teilte der Italiener noch im Frühjahr Videos von der Frau und dem Kind beim Spazierengehen am See.
Möglicherweise könnte sich Cristina V. aber von dem Mann getrennt haben: Vor wenigen Tagen hatte sie sich ein weiteres Facebook-Profil angelegt und ihren Beziehungsstatus mit "Single" angegeben.

Am Nachmittag nach der Tat haben Staatsanwaltschaft und Polizei die schrecklichen Details des Einsatzes erläutert. Demnach seien die ersten Beamten kurz vor halb sechs abends nach dem Anruf einer Anwohnerin an dem Haus angekommen.

Rosario I. und Cristina V. haben einen kleinen Sohn zusammen. Er ist nun Vollwaise, nachdem der Mann die Frau auf einem dieser Balkone erstochen hat
und bei dem Polizeieinsatz selbst erschossen worden ist.
Rosario I. und Cristina V. haben einen kleinen Sohn zusammen. Er ist nun Vollwaise, nachdem der Mann die Frau auf einem dieser Balkone erstochen hat und bei dem Polizeieinsatz selbst erschossen worden ist. © Leonie Meltzer

"Leg das Messer weg, ich muss sonst schießen"

Sie konnten, wie der Präsident des Polizeipräsidiums Oberbayern-Süd, Robert Kopp, sagte, durch die geschlossene Wohnungstür mit dem Mann sprechen: Er sagte, er wolle die Tür nicht öffnen, er wolle mit seinem erwachsenen Sohn sprechen. Als der gegen 18.40 Uhr eintraf, gab es demnach ein kurzes Gespräch zwischen dem Sohn und dem späteren Täter in italienischer Sprache, "dann gab es Geschrei in der Wohnung", so Kopp. Die Lage eskaliert.

An einem bestimmten Punkt sei für die Beamten klar gewesen: "Sie müssen der Frau helfen, sie müssen in die Wohnung rein", sagte Kopp. Ein Spezialeinsatzkommando war zu dem Zeitpunkt zwar auf dem Weg zum Tatort, aber noch nicht eingetroffen. Der Mann sei mit der Frau auf den Nachbarbalkon geklettert. Dort habe er sie bedroht, ein Beamter habe eine Art Stichbewegung erkannt. Nach Angaben der Polizei stach der Mann sogar mehrmals auf die Frau ein. Ein Knallkörper explodierte.

Bodycams zeichneten das weitere Geschehen auf. "Lass uns durch, leg das Messer weg", riefen die Beamten dem Täter immer wieder zu, der die Polizisten mit dem Messer bedrohte. "Leg das Messer weg, ich muss sonst schießen" Dann feuerte ein Beamter, der Täter wurde tödlich verletzt.

Es habe sich nach derzeitigem Ermittlungsstand zum einen um den Versuch der Nothilfe für die Frau gehandelt, zum anderen um Notwehr, weil sich der Beamte angegriffen fühlte, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Hajo Tacke von der Staatsanwaltschaft München II. Das Landeskriminalamt untersuche wie in derartigen Fällen üblich den Schusswaffengebrauch des Beamten, der aber nicht als Beschuldigter gelte.
Das Kind der beiden war zu der Zeit in der Wohnung, es sei nun in der Obhut von Angehörigen, teilte die Polizei weiter mit.

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