Todesschüsse auf Studenten: Gutachten belastet Polizist (33)

Der Regensburger Student Tennessee Eisenberg (24) starb im Polizei-Kugelhagel. Angeblich aus Notwehr. Doch erst die vier letzten von zwölf Treffern waren tödlich. Die gab ein besonders geschulter Beamter (33) ab.
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Tennessee Eisenberg wurde in Regensburg erschossen. Die genauen Ursachen sind unklar.
Thomas Gaulke 2 Tennessee Eisenberg wurde in Regensburg erschossen. Die genauen Ursachen sind unklar.
16 Schüssel fielen am 30. April in diesem Haus. Zwölf trafen den Studenten.
dpa 2 16 Schüssel fielen am 30. April in diesem Haus. Zwölf trafen den Studenten.

REGENSBURG - Der Regensburger Student Tennessee Eisenberg (24) starb im Polizei-Kugelhagel. Angeblich aus Notwehr. Doch erst die vier letzten von zwölf Treffern waren tödlich. Die gab ein besonders geschulter Beamter (33) ab.

Viereinhalb Monate, nachdem der Student Tennessee Eisenberg (24) in Regensburg von Polizisten in einer angeblichen Notwehr-Situation erschossen wurde, liegt der Staatsanwaltschaft jetzt ein neues Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Uni Münster vor. Es wurde von der Familie des erschossenen Studenten in Auftrag gegeben und belastet einen 33-jährigen Polizisten. Der Polizeihauptmeister war vor dem Einsatz in Regensburg fünfeinhalb Jahre beim USK (Unterstützungskommando). Diese Einsatzkräfte werden speziell für Festnahmen von Gewalttätern ausgebildet. Anforderung: Besondere Stressstabilität und körperliche Fitness. Reagierte ausgerechnet dieser Beamte über? Der 33-Jährige schoss ganz zum Schluss - als sieben weitere Polizisten das Haus bereits verlassen hatten - noch das Magazin seiner Heckler & Koch P7 (insgesamt acht Schuss) leer. Erst diese letzten vier Schüsse auf den bereits durch acht Kugeln schwer verletzten Studenten waren tödlich.

Der 33-Jährige Polizeihauptmeister, der zuletzt bei der Zivilen Einsatzgruppe (ZEG) in Regensburg eingesetzt war, wurde am 30. April zu einem Mehrfamilienhaus in Regensburg geschickt: Ein junger Mann hatte aus einem Sonnenstudio einen Notruf abgesetzt: Sein Mitbewohner würde durchdrehen. Er sei mit einem Messer auf ihn losgegangen. Insgesamt acht Polizisten, die dem Einsatzort am nächsten waren, fuhren zu dem Haus, in dem Tennessee Eisenberg wohnte. Zwei Beamte klingelten im ersten Stock an seiner Tür. Tennessee Eisenberg öffnete mit einem Messer in der Hand.

Der Student bewegte sich wie ein Roboter auf die Polizisten zu

Während ein dritter Beamter im zweiten Stock blieb, gingen die beiden Polizisten, die geklingelt hatten, rückwärts die Treppe hinunter. Tennessee folgte ihnen, das Messer (Klingenlänge: 18 Zentimeter) trug er laut Zeugenaussagen auf Hüfthöhe. Auf die Zurufe, er solle das Messer fallen lassen, reagierte er nicht. Obwohl die Polizisten Pfefferspray und einen Schlagstock einsetzten, folgte ihnen der Student weiter. Andreas Tronicsek, Anwalt von Tennessees Mutter: "Keiner der Zeugen hat gesagt, dass er mit dem Messer ausgeholt oder herumgefuchtelt hätte." Der Student soll sich wie ein Roboter bewegt haben. Unter Drogen, Alkohol oder Medikamenten stand er nachweislich nicht. Als sich ein Polizist im Treppenhaus in eine Ecke gedrängt sah und Tennessee Eisenberg sich weiter auf ihn zu bewegte, eskalierte die Situation:

Zwei Polizeihauptmeister begannen aus ihren Dienstpistolen Heckler & Koch P7 (9 mm) zu schießen: der 33-jährige frühere USKler sowie ein 40-jähriger Streifenpolizist. Tennessee Eisenberg wurde von acht Kugeln in die Extremitäten getroffen: Sein Kniegelenk und sein Oberarmknochen wurden zerschossen, eine Kugel blieb in der Lunge stecken. Er war schwer verletzt, doch er stand noch. Die tödlichen Schüsse fielen erst ganz zum Schluss: Die anderen Beamten hatten sich bereits in den Hof zurückgezogen. Der 33-Jährige stand ebenfalls bereits in der offenen Eingagnstür, als er noch sein Magazin leerschoss.

Diese vier letzten Schüsse aus einer Distanz von - laut Gutachter - 1,30 bis 2 Metern Entfernung waren tödlich. Einer traf den Studenten mitten ins Herz. "Ohne diese letzten vier Schüsse würde Tennessee Eisenberg noch leben", sagt Andreas Tronicsek. Er und seine Anwaltskollegen Helmut von Kietzell und Thomas Tesseraux halten es „für sehr fraglich, ob zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen einer Nothilfe oder Notwehr vorlagen.“ Sie haben bei der Staatsanwaltschaft, die nach wie vor wegen des Verdachts des Totschlags gegen die beiden Polizisten ermittelt, einen Antrag auf eine Tatrekonstruktion vor Ort beantragt. Die beiden beschuldigten Polizisten haben sich gegenüber den Ermittlern bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Die Urne mit der Asche von Tennessee Eisenberg wurde am vergangenen Samstag in einem Friedwald bestattet.

Nina Job

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