Tod unterm Zugspitz-Gipfel

Dramatisches Ende eines Extrem-Berglaufes auf die Zugspitze: Bei dem Rennen knapp unter den Gipfel des 2962 Meter hohen Berges sind zwei Männer an Erschöpfung gestorben - während eines Wetterumschwungs. "Man hätte abbrechen müssen", sagen Teilnehmer.
von  Abendzeitung
Helfer der Bergwacht stützen einen völlig erschöpften und durchgefrorenen Aktiven während eines Extrem-Berglaufes auf die Zugspitze.
Helfer der Bergwacht stützen einen völlig erschöpften und durchgefrorenen Aktiven während eines Extrem-Berglaufes auf die Zugspitze. © dpa

GARMISCH–PARTENKIRCHEN - Dramatisches Ende eines Extrem-Berglaufes auf die Zugspitze: Bei dem Rennen knapp unter den Gipfel des 2962 Meter hohen Berges sind zwei Männer an Erschöpfung gestorben - während eines Wetterumschwungs. "Man hätte abbrechen müssen", sagen Teilnehmer.

Auf der Homepage des Veranstalters ist von schlechtem Wetter keine Rede – dabei regnet es bereits in Strömen, als die rund 600 Teilnehmer des 8. Zugspitzlaufs sich am Sonntagmorgen um 9 Uhr im österreichischen Ehrwald sammeln. „Zieht Euch was Warmes an“, rät einer der Organisatoren noch, dann fällt der Startschuss. Wenige Stunden später sind zwei Extremsportler tot und sechs liegen auf der Intensivstation des Garmischer Klinikums. Schnee und Wind waren ihnen zum Verhängnis geworden.

Wäre das Risiko vermeidbar gewesen? „Die Veranstalter haben gesagt, sie würden an der Knorrhütte ein Schild aufhängen, wenn das Rennen abgebrochen wird. Das hätten sie auch tun sollen – aber es ging immer weiter“, sagt der erfahrene Langstreckenläufer Günter Zintl (54) aus München. „Meiner Meinung nach hätten sie abbrechen müssen“, sagt auch Armin Scheuerecker, Erstplatzierter der M45-Gruppe, „zumal zu Alpinläufen immer wieder Leute kommen, die schlecht trainiert sind und von Bergen keine Ahnung haben“.

"Wetter im Grunde ideal"

Dagegen sagt ein Sprecher der Bergwacht: „Das Wetter war für einen Berglauf im Grunde ideal.“ Einsatzleiter Karl Eitzenberger allerdings weicht aus: „Die Situation war so, dass der Veranstalter entschieden hat: Es kann gelaufen werden.“ Armin Scheuerecker hingegen hat „auch Bergwachtler reden hören, die sich darüber unterhalten haben, dass man abbrechen müsste“. „Warum habt ihr den Wahnsinn nicht gestoppt“, fragt ein anderer Teilnehmer. Der Veranstalter selbst war nicht zu erreichen. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen.

„Bis zur Knorrhütte ging es eigentlich noch“, sagt Teilnehmer Matthias Rasel im Gespräch mit der AZ. „Die Bergwacht hatte die glitschigsten Stellen mit seilen gesichert. Doch dann wurde es sehr windig, extrem kalt und hat zu schneien begonnen“, berichtet der 48-Jährige. Ein Großteil der Sportler ist trotz der Kälte äußerst leichtsinnig. „Viele liefen ohne Regenjacke, nur in kurzer Hose und im T-Shirt“, sagt Matthias Rasel.

Die ersten Läufer, die nach etwa zweieinhalb Stunden den 2962 Meter hohen Gipfel erreichen, seien trotzdem noch ohne Probleme durchgekommen, sagt Willi Kraus von der Bergwacht Grainau, der mit seinen Männern den letzten Streckenabschnitt sichert. „Im mittleren Teil kamen dann sehr erschöpfte Läufer, die mit unserer Hilfe aber auch das Ziel erreichten.“ Die Bergwachtler reden den Sportlern gut zu, stützen sie die letzten Meter, legen ihnen wärmende Decken um die Schultern. „Ich habe mit einigen gesprochen und ihnen in die Augen geschaut. Die wollen nur eins: das Ziel erreichen. Was anderes sehen die in diesem Moment gar nicht.“

Weiter unten am Sonnalpin werden zu diesem Zeitpunkt schon die ersten Notfälle gemeldet. Mehrere Teilnehmer sind mit Schüttelfrost, Krämpfen und aus schierer Erschöpfung zusammengebrochen. „Viele haben am Boden gelegen, gezittert und nur noch geweint – 40-jährige durchtrainierte Extremsportler!“, erzählt ein Teilnehmer. Die Bergwacht fordert Verstärkung an, vier Hubschrauber mit Notärzten an Bord steigen im Tal auf. Jetzt sind 94 Retter im Einsatz. Wenig später wird das Ziel zum Sonnalpin zurückverlegt.

Doch weiter oben sind noch Teilnehmer unterwegs. Fast gleichzeitig brechen zwei Männer zusammen – ein 41-Jähriger aus Witten (Nordrhein-Westfalen) und ein 45-Jähriger aus Ellwangen (Baden-Württemberg), einer auf Höhe des Schneefernerhauses, der andere etwa 15 Minuten vor dem Ziel. „Die beiden sind am Berg gestorben – an Unterkühlung und Erschöpfung“, sagt der leitende Notarzt. „Wir haben zwei bis drei Stunden lang versucht, sie zu reanimieren – erfolglos.“

Fünf Teilnehmer müssen auf die Intensivstation

Rosi Bayer aus Mittenwald, Erste der „Frauen F60“, schildert dramatische Szenen: „Vor mir lag ein Mann am Boden. Er war völlig apathisch, zeigte keine Reaktion mehr und versuchte nur noch mechanisch vorwärts zu robben.“ Sie habe ihn angeschrieen, ihm gesagt, dass er ruhig bleiben soll und ihn dann mit letzter Kraft gegen eine Wand gedrückt, um ihn vor einem Absturz zu bewahren. „Zum Glück kam dann gleich ein Helfer der Bergwacht.“

Sechs Teilnehmer werden von der Bergwacht ins Krankenhaus gebracht – ihre Körpertemperatur ist teilweise auf 33 Grad abgesunken. Fünf müssen die Nacht auf der Intensivstation verbringen. Ihr Zustand sei jedoch stabil, heißt es bereits am Abend.

„So kalt war mir noch nie“, sagt Armin Scheuerecker, als alles vorbei ist. Und für Günter Zintl steht fest: „So etwas mache ich nie wieder.“

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