Tod am Bahn-Übergang: Tamara (18) hätte nicht sterben müssen

Ein Verkehrspsychologe und ein Sicherheits-Ingenieur sind sich vier Wochen nach dem Unfall sicher: Mit geringem Aufwand könnte die Bahn den Überweg in Nürnberg-Ziegelstein entschärfen
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Die Umlaufsperre am Bahnübergang in Ziegelstein führt Passanten nur in eine Richtung.
bayernpress.com 4 Die Umlaufsperre am Bahnübergang in Ziegelstein führt Passanten nur in eine Richtung.
ADAC-Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino plädiert für Signale.
ADAC 4 ADAC-Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino plädiert für Signale.
An diesem Bonner Straßenbahn-Übergang signalisiert die rote Farbe am Boden: „Aufpassen, es droht Gefahr!“
AZ-Archiv 4 An diesem Bonner Straßenbahn-Übergang signalisiert die rote Farbe am Boden: „Aufpassen, es droht Gefahr!“
So sieht eine sichere Umlaufsperre aus: An diesem Straßenbahn-Übergang in Köln werden Passanten in zwei Richtungen geführt.
AZ-Archiv 4 So sieht eine sichere Umlaufsperre aus: An diesem Straßenbahn-Übergang in Köln werden Passanten in zwei Richtungen geführt.

Ein Verkehrspsychologe und ein Sicherheits-Ingenieur sind sich vier Wochen nach dem Unfall sicher: Mit geringem Aufwand könnte die Bahn den Überweg in Nürnberg-Ziegelstein entschärfen

NÜRNBERG Es ist ein Unglück, das keiner für möglich gehalten hätte in Nürnberg-Ziegelstein. Hunderte, wenn nicht Tausende Male hatte Tamara den Bahnübergang im Bauernwald gequert. Wie Hunderte Ziegelsteiner. Und nie ist etwas passiert – bis zum Abend des 22. April.

Tamara war in Eile, war eine Sekunde lang unachtsam. Diese eine Sekunde kostete die 18-Jährigen das Leben, sie wurde von der Gräfenberg-Bahn erfasst und starb. Einen Monat nach dem schrecklichen Unfall bleibt die Frage: Hätte Tamaras Tod verhindert werden können? Kann zumindest verhindert werden, dass sich das Unglück wiederholt? Zwei Experten meinen: ja.

ADAC-Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino ist sich sicher: „Gerade die Tatsache, dass das Queren des Bahnübergangs für die Anwohner so alltäglich ist, macht die Angelegenheit gefährlich.“ Die „subjektive Sicherheit“ lasse die meisten vergessen, dass sie sich in einer gefährlichen Situation befinden. Zudem könnten Faktoren wie Witterung, Wind und Dämmerung die Wahrnehmung beeinträchtigen. Für Chiellino ist klar: „Eine deutliche Signalgebung könnte Risiken minimieren.“

Die Führungsgitter am Übergang, die so genannte Umlaufsperre, die Fußgänger dazu bringen sollen, langsam zu laufen und herannahende Züge zu erkennen, erfüllten ihren Zweck nicht: „Wer gewohnt ist, sich durchzuschlängeln, achtet hauptsächlich darauf, sich nicht anzustoßen.“ Die Gleise hätten Ortskundige gar nicht im Visier. Chiellino fordert „dynamische Elemente“, wie Signalhörner oder Blinklichter, die nur warnen, wenn tatsächlich ein Zug herannaht.

Der Verkehrssicherheitsingenieur Franz Schilberg aus Bergisch-Gladbach befasst sich mit Verkehrsunfällen in ganz Deutschland. Er plädiert für eine noch viel einfachere und kostengünstige Entschärfung des Ziegelsteiner Bahnübergangs: „Würde die Umlaufsperre statt einer zwei Kurven beschreiben, müssten Passanten in beide Richtungen blicken und würden Züge in jedem Fall erkennen.“

Auch eine farbige Bodenmarkierung kurz vor den Gleisen (siehe Foto rechts) würde die Sinne schärfen. „Für die Bahn wären solche Maßnahmen Peanuts“, sagt Schilberg. Aber bitter nötig angesichts schockierender Zahlen: 2008 starben an unbeschrankten Übergängen – es sind etwa 1850 allein in Bayern – deutschlandweit 52 Menschen, 155 wurden verletzt.

Die Deutsche Bahn indes sieht keinen Grund, in Ziegelstein tätig zu werden: „Wir halten uns an die gesetzlichen Richtlinien“, ließ die Pressestelle nach Tamaras Tod verlauten.

Steffen Windschall

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