Tierschützer wollen alle Katzen kastrieren
Immer mehr herrenlose Tiere bevölkern den Großraum Nürnberg. PETA verlangt von der Stadt entschiedeneres Vorgehen. Tierheim-Chef Baruch hat Zweifel an der Realisierbarkeit des Vorschlags.
NÜRNBERG Auf den ersten Blick kaum zu glauben: Ausgerechnet engagierte Tierschützer fordern die Zwangskastration für Katzen! Die Fraktionen des Nürnberger Stadtrates sind von der Tierschutzorganisation „PETA“ jetzt aufgefordert worden, eine entsprechende Anordnung zu erlassen.
„Das Problem ist nicht neu“, sagt dazu Nürnbergs Tierheim-Chef Danny Baruch. Deshalb besteht seinen Worten zufolge wirklich akuter Handlungsbedarf: „Es gibt immer mehr verwilderte und freilaufende Katzen. Viele davon landen bei uns und bringen die Kapazitäten des Tierheims zum Platzen.“
Herrenlose Katzen: ein Ziel von Tierquälern
Im Städte-Viereck Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach leben nach statistischen Berechnungen knapp 100.000 Katzen in einzelnen Familien. Diese Tiere sind nicht das eigentliche Problem. Sorgen machen sich Tierschützer wegen der hohen Population der verwilderten Katzen ohne Frauchen/Herrchen. „Es werden immer mehr“, hat „PETA“ festgestellt – und rechnet vor, dass eine einzige Katze und ihre Jungen in wenigen Jahren bis zu 420000 weitere Nachkommen in die Welt setzen.
„Diese freilebenden Katzen haben es nicht leicht. Kein Mensch kümmert sich um sie, wenn sie krank sind und leiden müssen. Viele werden von Jägern erschossen oder vom Auto überfahren. Und etliche sind das bevorzugte Ziel von Tierquälern“, beschreibt Robert Derbeck, Vorsitzender des Tierschutzvereins „Noris“, die Situation. Auch er ist ein Befürworter der Kastration.
Für Tierheim-Chef Baruch gehört das längst zum Alltagsgeschäft. „Wir haben im letzten Jahr etwa 350 freilaufende Katzen, die wir einfangen konnten, kastrieren lassen.“ Dass eine städtische Verordnung das Problem lösen kann, glaubt der erfahrene Tierschützer aber nicht. Baruch: „Alle einzufangen ist unmöglich. Dazu sind es viel zu viele. Und der personelle Aufwand wäre einfach zu groß. Wer soll das machen?“
Zwischen 25.000 und 50.000 herrenlose Katzen bevölkern nach Schätzungen der Tierschutzorganisationen den Großraum Nürnberg. Tendenz: stark zunehmend. Die Massenkastration wäre auch finanziell nicht leicht zu stemmen. „Noris“-Chef Derbeck rechnet vor, dass ein solcher Eingriff rund 50 Euro kostet. Umgerechnet auf die Zahl der herrenlosen Katzen ginge der Aufwand in die Millionen.
Sind kastrierte Katzen anfälliger für Krankheiten?
Innerhalb der Tierschutzgruppen gibt es aber auch strikte Gegner der amtlich verordneten Zwangskastration. In Internetforen wird das Thema heiß diskutiert. Gerlinde R. aus der Nürnberger Südstadt ist sich mit anderen Gleichgesinnten einig und schreibt: „Auch Tiere haben das Recht auf Unversehrtheit.“
Sie verweist auf „wissenschaftliche Erkenntnisse“, wonach kastrierte Katzen angeblich zu Verhaltensstörungen neigen, eine geringere Lebenserwartung haben und auch krankheitsanfälliger sind.
Um wenigstens die Spur zu den Besitzern zurückverfolgen zu können, die die Tiere einfach ausgesetzt haben, plädieren Baruch und Derbeck für ein unumstößliches Erkennungszeichen. Baruch: „Jede Katze sollte nach der Geburt mit einem Chip unter der Haut identifizierbar gemacht werden.“
Helmut Reister