Theo Waigel: Der "Vater des Euro" wird 85

Theo Waigel, der frühere Bundesfinanzminister, ist ein glühender Kämpfer für die EU. Wie er im Nachgang so manche Situation beurteilt und wie er den Politik-Stil heutzutage findet.
von  Ralf Müller
1998: Kanzler Helmut Kohl (l.) mit Bundesfinanzminister Theo Waigel.
1998: Kanzler Helmut Kohl (l.) mit Bundesfinanzminister Theo Waigel. © dpa

München - Es gibt wohl kaum einen lebenden deutschen Politiker mit so viel großer Geschichte im Lebenslauf wie Theo Waigel. Der Zweite Weltkrieg ist für ihn keine Geschichte vom Hörensagen, sondern war hautnahes schmerzvolles Erlebnis und Antrieb, die Welt so zu verändern, dass sich dieses Grauen nicht mehr wiederholen sollte.

Und das gelang ihm auch - als Mitgestalter der Deutschen Einheit und "Vater des Euro". Theodor "Theo" Waigel feiert an diesem Montag 85. Geburtstag.

Mit dem Tod seines Bruders Gustl fiel 1944 ein Schatten über Waigels Elternhaus in Oberrohr, der nicht mehr weichen sollte. Theo war damals fünf Jahre alt, sein Bruder 18. Immer wieder besuchte Theo Waigel in den Folgejahren dessen Grab im Elsass. Immer wieder kam er in Reden und Interviews als Politiker auf dieses Trauma zurück, um den Wert des europäischen Einigungswerks EU anschaulich zu machen. Theo Waigel hat als Bundesfinanzminister einen wichtigen Teil des vereinten Europas maßgeblich aus der Taufe gehoben: den "Euro". Sogar der Name der Währung geht auf einen Vorschlag von ihm zurück.

Als 2009 wegen der Überschuldung Griechenlands die Euro-Krise ausbrach, wurde das Einigungswerk "Euro" von Vielen allerdings hart kritisiert und in Frage gestellt. Bis heute macht die Theorie die Runde, Waigel habe die Deutsche Mark dem Euro preisgegeben, um die deutsche Wiedervereinigung möglich zu machen. Waigel bestreitet das bis heute vehement. Das sei so nicht der Fall, er müsse es schließlich wissen, denn: "Ich war dabei."

Die Euro-Krise führte Waigel auf die Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone zurück. "Das hätte nie passieren dürfen, weil die Zahlen gefälscht waren", sagte Waigel in Interviews: "Aber das ist nicht in meiner Zeit passiert. Das ist mir sehr wichtig."

Kein Freund von Stoiber

Die Anfeindungen in seiner Eigenschaft als Bundesfinanzminister sieht er gelassen: "Der Finanzminister, der populär werden möchte, hat es nicht verdient." Und jetzt sei es ohnehin ausgestanden: "Nach 30 Jahren wird man wieder freundlich gegrüßt", ulkt der Jubilar.

Vergnügungssteuerpflichtige Ämter hat sich Waigel in seiner politischen Karriere, die 1957 mit dem Eintritt in die Junge Union begann, nicht herausgesucht. Die größten Belastungsproben erlebte er als Bundesfinanzminister unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) von 1989 bis 1998. In dieser Zeit hatte er nicht nur die damals massiven Herausforderungen als oberster Kassenwart der Republik zu meistern, sondern auch die mehr oder weniger massive Opposition seines innerparteilichen Gegenspielers, des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), auszuhalten.

Die Zeit, als Theo Waigel CSU-Chef und Stoiber Ministerpräsident war (von 1993 bis 1999), ging als eine Periode der Konflikte in die Parteigeschichte ein. Freunde wurden die beiden CSU-Spitzenpolitiker auch Jahre später nicht - entgegen anders lautender Bekundungen bleibt Groll.

Informationen über Waigels Privatleben kursieren

In seiner Autobiographie "Ehrlichkeit ist eine Währung" bestätigte Waigel, wie sehr ihn die Attacken seines innerparteilichen Gegners berührten. Im Machtkampf um die Nachfolge von Max Streibl (CSU) als Ministerpräsident hatte Waigel 1993 gegen Stoiber den Kürzeren gezogen, auch weil Infos über Waigels Privatleben von der Stoiber-Seite lanciert wurden.

Die CSU fuhr bei der Bundestagswahl 1998 in Bayern ein Ergebnis von 47,7 Prozent ein. Heute wäre das ein Traumergebnis, damals war es eine Enttäuschung, es galt für die CSU stets das Ziel "50 Prozent plus X". Waigel machte auf dem CSU-Parteitag im Januar 1999 den Weg für Stoiber frei. Zehn Jahre später wurde er von einem CSU-Parteitag zum Ehrenvorsitzenden gewählt - zwei Jahre später als Stoiber.

Politische Spitzenämter strebte Waigel seit 1999 nicht mehr an, aber untätig blieb er nicht. Immer wieder meldet er sich zu Wort, besonders dann, wenn sein europäisches Lebenswerk attackiert wird. So zeigt sich Waigel als engagierter Kämpfer gegen die AfD.

Aiwangers Art und Weise "unmöglich"

Würde man der Forderung der Rechtspopulisten folgen und die EU verlassen, wäre das "eine totale Katastrophe für Deutschland". Die großen Demonstrationen gegen rechts nannte er "großartig" und riet - entgegen seiner Bekundung, keine Ratschläge erteilen zu wollen - der CSU, sich daran zu beteiligen.

Überhaupt keinen Gefallen findet der CSU-Ehrenvorsitzende an den Freien Wählern (FW). Die "Bayern-Koalition" von CSU und FW nennt Waigel wenig enthusiastisch "vertretbar", den FW-Chef Hubert Aiwanger und seine "populistische Art und Weise, Stimmungen zu bedienen und zu fördern", "unmöglich".

Über Stil und Qualität der heutigen politischen Auseinandersetzung ist Waigel nicht glücklich. Auch früher habe die Politik gestritten, aber es sei eine "Polemik mit Tiefgang" gewesen. Es mache ihn besorgt, dass "wir nicht in der Lage sind, in einer schwierigen Zeit etwas Bahnbrechendes zu tun".

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