Tausend Euro für eine Stunde

Georg M. Oswald mit »Vor dem Gesetz« heute im Nürnberger Literaturhaus
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Ein hellsichtiger Blick hinter die Kulissen der Juristen-Zunft: Neo-Realist Georg M. Oswald legt ein großartiges Buch vor.
az Ein hellsichtiger Blick hinter die Kulissen der Juristen-Zunft: Neo-Realist Georg M. Oswald legt ein großartiges Buch vor.

Georg M. Oswald mit »Vor dem Gesetz« heute im Nürnberger Literaturhaus

In seinem 1748 erschienen Hauptwerk „Vom Geist der Gesetze“ analysiert der französische Denker Baron de Montesquieu „den Bezug, den die Gesetze zum Aufbau jeder Regierung, zu den Sitten, zum Klima, der Religion, dem Handel usw. haben“ müssen. 250 Jahre später geht der in München als Jurist und Schriftsteller lebende Georg M. Oswald der gleichen Frage unter dem gleichen Titel nach: „Vom Geist der Gesetze (Rowohlt Verlag, 352 S., 19.90 ). Er verpackt, aktualisiert und dramatisiert die spröden rechtsphilosophischen Grundgedanken im ebenso scharfsinnigen wie flott geschriebenen Gesellschaftsroman.
Es ist nicht dieser große, alles erklärende, zeitdiagnostische Wurf, auf den betagte Alt-Feuilletonisten seit Jahren warten, allerdings gehört der Roman, den der 44-jährige Neo-Realist heute im Nürnberger Literaturhaus (Luitpoldstraße 6) vorstellt, zu den hellsichtigsten Büchern über die dritte Gewalt, die Rechtsprechung, und ihre Rolle beim Abbau rechtstaatlicher Strukturen in der heutigen Bundesrepublik.
Ähnlich wie Frédéric Beigbeder im Skandal-Roman „39,90“ (2001, ebenfalls bei Rowohlt), der mit Insiderwissen die Werbebranche analysierte oder der französische Star-Soziologe Pierre Bourdieu in seiner Untersuchung über den „Homo academicus“ blickt Jurist Georg M. Oswald hinter die Kulissen der Zunft, und beschreibt ihre speziellen Spielregeln und Praktiken.
Kennern des Oswaldschen Werks, die seine älteren Justizromane wie „Lichtenbergs Fall“ (1997) oder „Party-Boy“ (1998) gelesen haben, mögen manche Charaktere bekannt vorkommen. Raffinierter allerdings hat er nie erzählt.
Im Mittelpunkt steht Star-Anwalt Ludwig Heckler, bei dem jeder Besucher „nur zu gut wusste, wen er vor sich hatte und dass tausend Euro pro Stunde der Preis waren, mit ihm zu sprechen.“ Oswald skizziert ihn als Anwalt einer bestimmten Klientel, „die beabsichtigten, ihre Namen, die meist Gold wert waren, aus den Medien und überhaupt aus jedem Zusammenhang, den sie nicht selbst gestellt hatten, herauszuhalten“.
Oswalds „Vor dem Gesetz“ ist ein großartiges Buch für alle, denen Montesquieus Ausführungen zu spröde sind – und die trotzdem auf hohem Niveau unterhalten werden wollen. Spark

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