Tatort-Reiniger: Sie räumen auf, was der Tod übrig ließ

Hüseyin Dalga hat den gruseligsten Beruf Nürnbergs: Er arbeitet dort, wo andere schreiend davonlaufen würden.
von  Abendzeitung
Ein Fall für Reinigungsprofi Dalga: Die riesengroße Blutlache im Treppenhaus zeugt von einem schlimmen Verbrechen.
Ein Fall für Reinigungsprofi Dalga: Die riesengroße Blutlache im Treppenhaus zeugt von einem schlimmen Verbrechen. © Elite AG

Hüseyin Dalga hat den gruseligsten Beruf Nürnbergs: Er arbeitet dort, wo andere schreiend davonlaufen würden.

NÜRNBERG Bei Gewaltverbrechen, Selbstmorden oder wenn eine Leiche lange Zeit nicht entdeckt wurde, kommt Hüseyin Dalga zum Einsatz. „Ich werde dahin gerufen, wo es wirklich eklig ist“, sagt Dalga. Seit elf Jahren reinigt und saniert der 39-jährige Chef der Firma Elite AG Tatorte, macht sie wieder bewohnbar. Stechender Leichengeruch, riesige Blutlachen und Ungeziefer gehören zu seinem Arbeitsalltag wie für andere Kopierer und Aktenordner.

Ein Job, den nicht jeder machen kann, denn er belastet die Psyche bis zum Anschlag: „Mir schlägt immer noch jeder Tatort aufs Gemüt, in den ersten zehn Sekunden dreht sich einem der Magen um“, erzählt Dalga. Aber nicht nur emotional ist die Arbeit an Tatorten extrem hart, sie ist auch sehr gefährlich. Die Leichen haben in den Räumen meist viel Blut verloren, das in den Boden sickert. Bei der Zersetzung bilden sich schlimme Erreger. Um sich nicht anzustecken, ist ausreichender Schutz für Tatortreiniger ein absolutes Muss: Bei jedem Einsatz rückt Dalga mit luftdichtem Schutzanzug und Atemschutzmaske an.

Die Tatort-Reiniger rückten 2010 allein in Franken 139 Mal aus

Auf seine Geschäftsidee kam der gelernte Elektriker und Gebäudereinigungsmeister, als er 1998 eine Fachmesse in den USA besuchte. Nach einem Praktikum bei einer amerikanischen Firma, die sich auf die Reinigung und Desinfektion von Leichenfundorten spezialisiert hatte, legte er selbst los. Und die Nachfrage nach seinem speziellen Fachwissen ist groß. Mittlerweile unterhält der gebürtige Türke elf Filialen in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz und beschäftigt 138 Tatortreiniger. In Franken mussten Dalga und sein Team alleine im letzten Jahr 139 Mal ausrücken.

Inzwischen hat Dalga aus dem Tatortreiniger sogar einen Ausbildungsberuf gemacht. Bei seiner Firma in Nürnberg lernen gerade zwei Azubis, wie sie sich in verschmutzen Wohnungen vor Infektionen schützen, wirksam Räume desinfizieren und gründlich reinigen. Florian Danner ist einer von ihnen: „Am Anfang war der süßliche Leichengeruch das Schlimmste. Den habe ich tagelang nicht aus der Nase bekommen“, erinnert sich der 19-jährige Azubi. Seit kurzem macht auch Dalgas 17-jähriger Sohn Eray die Ausbildung zum Tatortreiniger. Sein erster Einsatz: ein blutiger Teppich nach einem Selbstmordversuch. Eray: „Als ich das ganze Blut gesehen habe, war ich wirklich geschockt!“

Doch die richtig schweren Fälle warten auf die beiden Tatortreiniger-Azubis noch. „Die muten wir ihnen erst im zweiten oder dritten Lehrjahr zu“, sagt Dalga. Gemeint sind Wohnungen, in denen wochenlang Leichen gelegen haben. Was sie dort erwartet, ist wirklich nichts für schwache Nerven: starker Verwesungsgestank, Ungeziefer und getrocknete Körperflüssigkeiten.

Mit Ozon gegen Geruch und Keime

Dalgas wichtigstes technisches Hilfsmittel bei der Tatortreinigung ist ein Gerät aus den USA, das Ozon produziert und so Bakterien und Viren tötet. Weil die hohe Ozon-Dosis aber eine Gefahr für Menschen darstellt, dürfen die erst nach zwei Tagen die Wohnung wieder betreten. Dann aber ist jeder Winkel völlig keim- und geruchsfrei.

Aus Erfahrung weiß Dalga, dass Hinterbliebene immer wieder selbst zu Staubsauger und Putzmitteln greifen, um die Wohnung nach einem Verbrechen sauberzumachen. „Sie denken, mit ein bisschen Putzen ist die Sache erledigt“, sagt der Reinigungsprofi. „Aber die Eier von Maden und Würmern und die Krankheitserreger, die tief in Teppichen und Wänden sitzen, erreichen sie mit herkömmlichen Putzmitteln nicht. Und die Menschen unterschätzen die Emotionen, die dabei hochkommen.“ Larissa Fleischmann

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.