Tapfere Lizzy Aumeier: Comeback im Rollstuhl

Die Kabarett-Künstlerin tritt nach dem schweren Autounfall schon wieder auf. Und kämpft noch mit ihren Erlebnissen
von  Abendzeitung
Ehemann Andreas Stock hat den Rollstuhl in eine Sänfte verwandelt.
Ehemann Andreas Stock hat den Rollstuhl in eine Sänfte verwandelt. © Berny Meyer

Die Kabarett-Künstlerin tritt nach dem schweren Autounfall schon wieder auf. Und kämpft noch mit ihren Erlebnissen

NÜRNBERG Vor wenigen Tagen auf einer Bühne in Unterfranken: 350 Menschen bejubeln Lizzy Aumeier. So weit, so normal für Frankens wohl bekannteste Kabarett-Künstlerin. Doch die 46-Jährige steht nicht auf der Bühne. Sie sitzt in einem Rollstuhl. Der ist kein Requisit, auch nicht die Schiene am Bein. Eine Woche vorher lag sie nach einem Autounfall noch auf der Intensivstation. Jetzt spielt sie wieder. Wahnsinn? „Nein. Ohne die Bühne wäre ich wahnsinnig geworden. Es ist jetzt, als ob das Leben mich zurück hätte.“

„Ich kann alles, außer Joggen. Aber das konnte ich vorher auch nicht.“ Ihr Witz ist zurück. Aber die Erinnerungen an den 13. April sind noch nicht gewichen. „Manchmal habe ich nur schwarz gesehen. Wenn ich dann eine Pistole gehabt hätte, wäre es schlecht gewesen.“ Sie weint.

Am 13. April war sie mit ihrem Mann Andreas Stock (50) auf der A6 bei Nürnberg unterwegs. Warum ihr Mercedes-Transporter ungebremst auf das Heck eines Lkw prallte, wird sich nicht mehr feststellen lassen. Beide erinnern sich nicht mehr.

Dafür ist die Sekunde, die Lizzy Aumeiers Leben änderte, noch immer präsent. Aufprall, Überschlag, die Splitter der Windschutzscheibe im Mund. Der Wagen kippt zur Seite. „Dann plötzlich war Stille“. Und wahnsinnige Schmerzen. Ihr zertrümmerter Unterschenkel ist eingeklemmt. Lizzy hängt kopfüber auf ihrem blutüberströmten Mann, der am Steuer saß. „Ich erinnere mich an alles: An die Schmerzen, den konzentrierten Feuerwehrmann, der mich herausschnitt. An den Mann im gelben T-Shirt, der mich stützte – dem würde ich gerne danken. Und den Polizisten, die so lieb zu mir waren.“

Lizzy nach dem Unfall: „Man wird stummer“

Unfall, Schmerzen, Klinik: Für jeden Menschen ist es schwer, diese Erfahrungen zu verarbeiten. Für Menschen wie Lizzy Aumeier gelten andere Maßstäbe. Die Künstlerin geht offen damit um, dass sie unter Depressionen und Ängsten leidet. „Klinik, eine Fahrt im Aufzug, eine Narkose – vorher alles undenkbar.“ Aber sie hatte keine andere Wahl. Und ist heute noch ungläubig, was sie bewältigt hat. Bis auf die Angst, dass die Depressionen zurückkehren. Die nämlich hatte sie vor dem Unfall gut im Griff. Dank einer speziellen Therapiemethode wurden die schwarzen Löcher weniger und nur noch dunkelgrau.

Um dieses Level zu halten, entschied das eingespielte Paar Stock-Aumeier: Wir entlassen uns auf eigenes Risiko aus dem Krankenhaus! Einen Tag nach der ersten OP, drei Tage nach dem Unfall, lag Lizzy Aumeier in ihrem Fürther Wohnzimmer. Improvisation war gefragt: WC-Stuhl, Freunde, Pfleger, Therapeutin – und vor allem wegen Andreas klappte es. Der Mann als Krankenschwester, Bote, Tröster, Masseur, Wundversorger, Ausweiner, Koch, Putzfrau. „Er war und ist wunderbar.“ Keinen Vorwurf, dass er am Steuer saß? „Nein, nie.“ Sie schluchzt. „Ich bin so froh, dass niemand gestorben ist. Oft haben wir uns einfach festgehalten und gedankt, dass wir uns noch haben dürfen.“

Das Erlebte verändert. „Man wird stummer.“ So umschreibt sie, wie alles tiefer geht: Schmerz, Verzweiflung, auch Dankbarkeit und Freude. Vor allem über die Anteilnahme. Briefe, Karten, Blumen, Mails. „Ich kann mich nicht genug dafür bedanken. Das gab mir Mut und Kraft“.

Vor allem für die zweite Operation im Neumarkter Krankenhaus. „Was der Chirurg geleistet hat, ist ein Hammer“, sagt die Aumeier. „Mein Schienbein sieht aus wie der Eiffelturm.“ In sechs Stunden wurde es mit Platten, Schrauben, Nägeln rekonstruiert, Knochenmaterial wurde ihr aus der Hüfte entnommen.

Lizzy Aumeiers Gedanken kreisen jetzt nicht mehr so oft um Existenz-Ängste. „Für jeden Freiberufler ist so ein Unfall die Hölle.“ Sie blödelt nun über ihr „Krüppel-Kabarett“. Einiges muss umgeschrieben werden. So wie der „Pfleger Stock, zu mehr hat’s bei der AOK nicht gelangt“. Denn der Ehemann ist künftig dabei: Er hat eine Sänfte konstruiert, um Lizzy auf die Bühne zu tragen. „Allein dafür“, grinst Lizzy Aumeier, „hat es sich fast gelohnt.“ Susanne Will

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