„Taksim-Platz“-Proteste auch in Bayern

Die Proteste auf dem Istanbuler Taksim-Platz haben viele Menschen in der Türkei aufgerüttelt. Auch in Bayern lebende Türken lassen die Aktionen nicht kalt.
dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Demonstarnten halten auf dem Taksim-Platz in Istanbul eine türkische Flagge in die Luft.
dpa Demonstarnten halten auf dem Taksim-Platz in Istanbul eine türkische Flagge in die Luft.

Die Proteste auf dem Istanbuler Taksim-Platz haben viele Menschen in der Türkei aufgerüttelt. Auch in Bayern lebende Türken lassen die Aktionen nicht kalt. Mit Protestcamps und Demos unterstützen manche ihre Landsleute – andere dagegen stehen treu zu Recep Tayyip Erdogan.

Nürnberg/München - Jeden Abend „reist“ Selin Elgün 2700 Kilometer von Nürnberg nach Istanbul – per Internet und Laptop. Beim Kurznachrichtendienst Twitter sucht die 24 Jahre alte Studentin nach dem Schlagwort „#Taksim“. Beinahe im Sekundentakt rauschen dann Bilder und Lageberichte aus Istanbul über den Bildschirm.

„Schrecken und Hoffnung hautnah“, kommentiert Elgün, was sie sieht. Wie die junge Türkin lassen viele Menschen in Nürnberg die Ereignisse rund um den Taksim-Platz in Istanbul nicht unberührt. In der Frankenmetropole gibt es ein äußerst aktives türkisches Gemeindeleben. Rund zehn Prozent der Bevölkerung ist türkischstämmig - die meisten haben Angehörige oder Freunde in der Türkei. In Zeiten des Internets kennt die Solidarität keine Grenzen.

Der 29 Jahre alte Gökhan Sürmeli hat auf dem sozialen Netzwerk Facebook sein Profilbild geändert: Statt seines eigenen Fotos ist jetzt das Konterfei von Atatürk zu sehen – dem Gründer der Republik Türkei. „Atatürk würde sich im Grab umdrehen, wenn er sehen könnte, was Erdogan anrichtet“, sagt Sürmeli, dessen Eltern und zwei Brüder in der Türkei leben. Im August will er sie besuchen. „Wenn die Demos dann noch im Gange sind, mache ich mit.“ Sürmeli steht für viele in Deutschland geborene Türken, die durch die Aktionen auf dem Istanbuler Taksim-Platz auf einmal ihre Verbundenheit mit dem Land entdecken, aus dem ihre Eltern stammen. Allerdings denken längst nicht alle Türken wie er.

Der Riss, der durch die Gesellschaft in der Türkei geht, ist auch im Nürnberger Stadtteil Gostenhof spürbar. Hier reihen sich türkische Geschäfte Haus an Haus. Es gibt Lokale, in denen sich türkische Männer treffen, um Karten oder Backgammon zu spielen – und um über Politik zu reden. Die Zeit des diktatorischen Erdogan sei abgelaufen, meint einer in der Runde, der sich als politisch liberal bezeichnet. Aber es gibt auch religiös ausgerichtete Menschen wie Murat Genc, die mit dem Kurs des türkischen Premiers durchaus zufrieden sind: „Erdogan hat viel Gutes getan. Die Schulen sind heute besser, jeder kann sich im Krankenhaus behandeln lassen“, sagt Genc.

Die Nürnberger Südstadt am Dienstagabend: Rund 150 Menschen bekennen bei einer neuerlichen Demonstration ihre Solidarität mit den Demonstranten im entfernten Istanbul. Deutsche sind kaum dabei. Die Gruppe Türken marschiert ungeachtet der brütenden Hitze eine Stunde lang durch das Stadtgebiet, um schließlich vor dem türkischen Konsulat Transparente auszubreiten.

Der Vorsitzende des Bürgervereins Nürnberg-Süd, Ümit Sormaz, läuft nicht mit – weil er sich „in keine Schublade stecken“ lassen möchte. Wenn der 33-Jährige über die politische Stimmung unter seinen Landsleuten in Nürnberg spricht, schwingt Ratlosigkeit mit. Als Sormaz zu einer Demo gegen den rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) aufgerufen hatte, kam fast niemand. „Da ging es doch auch um unsere türkische Identität. Da ging es doch auch um Demokratie.“

Auch in München solidarisieren sich Jugendliche und Erwachsene mit den Demonstranten in der Türkei. Unweit des türkischen Generalkonsulats im Stadtteil Nymphenburg haben Mitglieder des Bundes Türkischer Jugendlicher (TGB) und des Verbandes zur Förderung des Ideen Atatürks (ADD) ein Zeltlager mit Informationsstand aufgeschlagen. Sie halten hier seit vergangenem Donnerstag Mahnwache, 24 Stunden am Tag. „Das Erdogan-Regime hat dem Volk jegliche Rechte genommen. Wir wollen eine moderne, demokratische Türkei. Das Volk soll entscheiden dürfen, nicht ein Diktator“, fasst Hakan Koc die Forderungen zusammen. Der 24-Jährige ist TGB-Vorsitzender in München. Das Volk demonstriere friedlich und werde massiv angegriffen, sagte Koc. „Genau das zeigt das türkische Staatsfernsehen jedoch nicht.“ Es gebe keine Presse- und Meinungsfreiheit. Das Volk wolle sich die Unterdrückung nicht mehr gefallen lassen. In München bekämen sie viel Unterstützung. Bis zu 200 Passanten informierten sich an ihrem Stand täglich und trügen sich in Unterschriftenlisten ein. „Viele bringen uns Wasser und etwas zu essen.“ Koc und seine Leute wollen weitermachen. „Solange, bis Erdogan zurücktritt.“

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.