Tafeln am Limit: Viele Bayern auf Essensspenden angewiesen

München (dpa/lby) - Mehr als 200 000 Menschen in Bayern - darunter immer mehr Senioren - sind im Alltag auf Essensspenden angewiesen. Dies teilte das Sozialministerium am Donnerstag bei einer Anhörung im Sozialausschuss des Landtags in München mit. Bei den 169 Tafeln im Freistaat werden die Bedürftigen zwar von ehrenamtlichen Helfern versorgt, doch die Tafeln stoßen zunehmend an ihre Belastungsgrenze. Besonders ärgerlich aus Sicht der Tafeln: bisher ist politische Hilfe Mangelware. Das soll sich aber nun ändern.
Nach Angaben des Ministeriums stehen im Doppelhaushalt 2019/2020 des Freistaats 100 000 Euro pro Jahr zur Unterstützung der Tafeln zur Verfügung. Das Geld soll etwa für Weiterbildungen der Helfer verwendet werden. Rein rechtlich sind in Bayern aber nicht das Land sondern die Kommunen für die Tafeln zuständig.
"Die Tafeln übernehmen in professioneller Art und Weise staatliche Aufgaben bei der Versorgung von Bedürftigen", sagte Kerstin Celina (Grüne). Staatliche Hilfe sei dringend notwendig, ob die nun veranschlagten Gelder aber ausreichen würden, sei ungewiss.
Trotz der angekündigten Finanzhilfen - der Landtag muss dem Haushaltsentwurf der Staatsregierung noch zustimmen - dürfte das Fazit der Tafeln über die neue Hilfe durchwachsen ausfallen: Eine besondere Anerkennung ihrer Ehrenamtlichen soll es weiterhin nicht geben. Genau diese hatten sich im Mai 2018 aber Vertreter der Tafeln in Form von steuerlichen Erleichterungen und Rentenzuschüssen für die rund 7000 Helfer bei einem Treffen mit der Staatsregierung gewünscht.
Es sei schwierig festzulegen, für welche ehrenamtlichen Tätigkeiten es eine spezielle Anerkennung geben sollte, hieß es am Donnerstag im Bericht des Sozialministeriums. Auch der Wunsch nach Vergünstigungen für Tafel-Helfer im Öffentlichen Nahverkehr wurde abgelehnt - dafür sei kein Geld da.
Die oft fehlende Unterstützung der Politik, ist für den Bayerischen Landesverband Tafeln nicht zu verstehen. Nach ersten Gesprächen mit der Staatsregierung 2018 hätten Reaktionen lange auf sich warten lassen. "Außer Schulterklopfen für unser Engagement, kam von der Politik bisher nichts", sagte Verbandschef Rainer Haupka der Deutschen Presse-Agentur. Unterstützung könne man zwar nicht abfordern, "wenn wir aber die Arbeit der Politik übernehmen müssen, dann sollte sie eigentlich ein Akt der Selbstverständlichkeit sein."
Nach Angaben des Verbands steigt die Zahl der Bedürftigen in Bayern seit Jahren an. Der Trend sei - so Haupka - zwar nicht komplett auf staatliches Versagen zurückzuführen, doch schon jetzt sei fast ein Viertel der Menschen, die regelmäßig zur Tafel kommen, Rentner - Tendenz stark steigend. "Wir schlittern sehenden Auges auf eine große Altersarmut zu und die Politik schaut tatenlos zu", so Haupka.
Thomas Huber (CSU) nahm die Kritik des Verbands am Donnerstag auf. Die gesellschaftliche Entwicklung in Bayern mache ihm große Sorgen. Den Tafeln zu helfen, sei wichtig, "aber wir dürfen nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern müssen vor allem etwas gegen die Ursachen unternehmen", betonte Doris Rauscher (SPD). Die Staatsregierung müsse das Thema Grundsicherung ernster nehmen: "Unser Ziel muss es sein, dass kein Bayer mehr auf Essensspenden angewiesen ist."
In der täglichen Arbeit der Tafeln stellt laut Verband vor allem die Lagerung und Verteilung der gespendeten Lebensmittel ein Problem dar. "Wir können derzeit jedes Jahr etwa 40 000 Tonnen Lebensmittel retten", sagte Haupka. Die angebotenen Spenden gingen aber darüber hinaus. In drei neuen Logistikzentren will der Verband nun Platz für weitere 35 000 Tonnen Nahrungsmittel pro Jahr schaffen. Für den Aufbau der Zentren hatte die Staatsregierung bereits in der Vergangenheit eine Förderung von 30 Prozent der Kosten in Aussicht gestellt. Huber sprach sich zudem dafür aus, die Tafeln bei der Anschaffung neuer Kühlfahrzeuge zu unterstützen.