Supergirl und Spiderman
Lehrstück oder Leerstück? Mit „Mutwerk“ erteilt das Theater Erlangen eine kleine Lektion in Sachen Zivilcourage
Lehrstück oder Leerstück - das ist hier die Frage! Mit dem Theaterprojekt „Mutwerk“, einer Melange aus Videos, O-Tönen und temperamentvoller Schauspielerei, startet das Theater Erlangen zum lokalen Frontalangriff auf die Zivilcourage. 90, teils zähe Minuten lang lässt es Felix und Cora um Sein oder Nichtsein im jugendtollen Mobbing-Aggressions-Zweikampf ringen. Und die Zuschauer dürfen interaktiv entscheiden, wer daraus als Sieger hervorgehen soll. Vom lebensgereiften Premierenpublikum gab es dafür freundlichen Beifall. Seine wirkliche Bewährungsprobe muss „Mutwerk“ in den nun folgenden Schulvorstellungen aber noch bestehen.
Bertholt Brecht hat es mustergültig vorgemacht, wie ein Lehrstück auf dem Theater zu sein hat, und Regisseurin Tina Geißinger scheut sich nicht, ihm couragiert nachzueifern. Unterstützt von Kirche, Polizei und viel Volk war sie auf Erlangens Straßen dem Phänomen Zivilcourage auf der Spur und packte die gesammelten Erkenntnisse in eine Teeny-gerechte Spielvorlage für Zwei.
Doch schnell schnappt mal wieder die Klischeefalle zu: Felix, Realschüler mit Schulaversion und Comicfaible, trifft auf Cora, gymnasiale Müsliesserin aus bester Siemensfamilie. Mühsam entwickelt sich, was man eine Beziehung nennt und happyendlich in einem glückseligen Videoclip gipfelt, der sie als Supergirl und Spiderman zeigt. Doch schon bedroht Facebook das zarte Liebespflänzchen und mobbt Cora stutenbissig. Wenig später verpasst Felix seine Chance, zum wahren Helden zu mutieren, sieht er doch tatenlos zu, wie Coras Bruder zusammengeschlagen wird. Was folgt sind Heulen und gewaltige Warum-Hast-Du-Nicht-Wutausbrüche. Und damit der Zuschauer selbst spürt, wie sich Courage anfühlen kann, darf er im Schnellverfahren ein Anti-Agressionsprogramm nach Comicart absolvieren.
Linda Foerster und Christian Wincierz manövrieren sich mutig durch die kruden Seelennöte der Teenager, schwanken immer wieder zwischen hohler Kraftmeierei und kindlicher Naivität und wirken im Strudel der Gefühle unendlich hilflos und alleingelassen. Doch manchmal blitzt Großes in ihren Gedanken auf. So konstatiert Felix: „Du kannst nicht Mensch und Held gleichzeitig sein.“ Wie wahr. Ute Missel