Super-Straßenbahn durch die Altstadt?
Die neuen Fahrzeuge können ohne Oberleitung fahren. Der Strom kommt über Magnetfelder zwischen den Gleisen. SPD fordert Test.
NÜRNBERG Bis vor kurzem waren solche Gedankenspiele im Rathaus tabu: SPD-Verkehrsexperte Jürgen Fischer bügelte regelmäßig alle vor allem von der CSU angestrengten Überlegungen nieder, die Straßenbahn wie früher am Rathaus und der Sebalduskirche vorbei durch die Altstadt zu führen. Doch jetzt wagen die SPD-Stadträte Lorenz Gradl und Gerhard Groh einen neuen Vorstoß. Dabei hebeln sie Fischers Hauptargument gegen die Altstadt-Tram aus, die Oberleitungen würden das Stadtbild beeinträchtigen. „Es gibt eine neue Technik, mit der Straßenbahnen drahtlos fahren können“, so Gradl. Die beiden Politiker wollen nun prüfen lassen, ob diese Super-Straßenbahn für Nürnberg taugen würde.
Auf einer 850 Meter langen Teststrecke im sächsischen Bautzen verkehrt die Science Fiction-Bahn des Herstellers Bombardier bereits. Ihren Strom bezieht sie nicht über einen Fahrdraht. Sondern aus einem Stromkabel, das im Boden zwischen den Gleisen versenkt ist. Das erzeugt ein starkes Magnetfeld. Induktionsspulen, die unter der Straßenbahn montiert sind, wandeln dieses Feld in elektrischen Strom um. Dieser treibt die Motoren an.
Altstadt-Strecke als Ersatz für Linie 9
„Die Technik funktioniert wie bei der Aufladestation einer elektrischen Zahnbürste oder bei einem Induktionsherd“, erläutert Heiner Spannuth von Bombardier. „Der Strom wird dabei ohne direkten Kontakt übertragen.“ Gefahr für die Passanten, die über den Stromleiter laufen, bestehe nicht. „Mit Kontrollabschnitten wird das Magnetfeld so gesteuert, dass es nur dann aktiv ist, wenn die Straßenbahn darüber fährt“, so Spannuth. So werde verhindert, dass beispielsweise Menschen mit Herzschrittmachern geschädigt werden. Auch vor einem Stromschlag müsse niemand Angst haben. Anfang nächsten Jahres soll das System serienreif sein. Auch bestehende Straßenbahn-Fahrzeuge könnten, so der Bombardier-Experte, nachgerüstet werden. Außerdem kann die Super-Tram 30 Prozent Strom sparen, weil sie die Bremsenergie wieder nutzt.
„Die Idee ist verführerisch“, ist Gradl begeistert. „Denn ohne störende Oberleitung haben wir viel mehr Möglichkeiten, neue Straßenbahnstrecken zu entwickeln.“
Die Diskussion über die Altstadtlinie vom Rathenauplatz im Osten bis zum Hallertor im Westen wurde wieder aktuell, weil Ost-West-Verbindung durch die Pirckheimerstraße wegfällt, wenn die U-Bahn in zwei Jahren den Friedrich-Ebert-Platz erreicht. „Wir müssen die Linie 9 dort einstellen, weil die parallel zur U-Bahn verkehrt und wir dann Fördergelder für die U-Bahn zurückzahlen müssten“, so Gradl, der hofft, seine Parteifreunde endlich für die neue Technik zu begeistern.
Michael Reiner