Sudetendeutsche würdigen Max Mannheimer
Er hat nicht allen mit jedem Satz aus der Seele gesprochen, und doch erheben sie die rund 1.000 Menschen im Nürnberger Messezentrum, um Max Mannheimer Respekt zu zollen. Mit der Verleihung des Europäischen Karlspreises an den Holocaust-Überlebenden und langjährigen Vorsitzenden der Lagergemeinschaft Dachau haben die Sudetendeutschen zum Auftakt ihres Pfingsttreffens am Samstag ein außergewöhnliches Zeichen gesetzt.
Nürnberg - Die Preisverleihung sei ihm eine Freude und Herzensangelegenheit, „und dennoch, liebe Landsleute, ist es keine einfache Laudatio“, sagte der oberste Repräsentant der Sudetendeutschen, Bernd Posselt. „Zum einen ist Max Mannheimer selbstverständlich einer von uns“, erläuterte der CSU-Politiker und verwies auf die nordmährische Herkunft des Preisträgers.
Aber der 92-Jährige entziehe sich andererseits jeder Vereinnahmung. „Max Mannheimer wurde auf das Fürchterlichste gequält, verfolgt und misshandelt von Menschen unserer Volkes und auch unserer Volksgruppe.“
Das Unrecht der Vertreibung
Mannheimer wurde 1943 über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert, wo seine Frau, seine Eltern und mehrere seiner Geschwister ermordet wurden. „Unfassbares Leid“ sei geschehen, betonte Posselt. Jahrzehntelang habe Mannheimer über das Erlittene nicht sprechen können. Der Preisträger bekam während seiner Dankesrede mehrfach lauten Applaus, beispielsweise als er an das „furchtbare Unrecht“ der Vertreibung erinnerte und Kollektivschuld ablehnte. Aber er sagte auch Sätze, nach denen sich in der Halle Stille ausbreitete. „Primär verantwortlich für die Opfer der Flucht und Vertreibung ist Adolf Hitler.
Die Katastrophe der Vertreibung kann nur in ihrem Gesamtzusammenhang gesehen werden.“ Doch, fügte der 92-Jährige hinzu und hatte damit die Sudetendeutschen wieder hinter sich, Hitlers verbrecherische Politik entlaste niemanden, der Unrecht mit Unrecht beantwortet habe. Und er schloss mit einem eindringlichen Appell an die Jugend: „Vergessen Sie nicht die Vergangenheit“, rief er. „Glauben Sie weiter an die Menschheit und setzen Sie sich keine anderen Ziele als Frieden, Freiheit und Humanität.“
Trauer und Scham
Zwar kam von der bayerischen Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) die übliche Kritik an den Benes-Dekreten, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlage für die Vertreibung der Sudetendeutschen gebildet hatten. Die Spitzenvertreter der Heimatvertriebenen aber setzten in ihren Ansprachen am Samstag einen ganz anderen Akzent. Statt sich an der tschechischen Politik abzuarbeiten, wählten sie leise Töne und sprachen von den Verbrechen der Nationalsozialisten.
Der Bundesvorsitzende der sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Pany, erinnerte beispielsweise an den bevorstehenden 70. Jahrestag des Massakers von Lidice, bei dem alle Männer und ein Großteil der Frauen des tschechischen Dorfes von den Nazis „für den Tod eines ihres Bonzen hingeschlachtet“ worden seien. Und er spricht von tiefer Trauer und Scham. Das Ringen um Versöhnung und Verständigung ist schon seit Jahrzehnten ein Ziel der Sudetendeutschen. Doch selten dürfte es ihnen so eindrucksvoll und unmissverständlich gelungen sein, ihr Anliegen zum Ausdruck zu bringen, wie bei der Ehrung ihres neuen Karlspreisträgers.
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