Stresstest für die Seen in Bayern – Schifffahrt schlägt Alarm

Schwimmer, Stand-up-Paddler, Segler und Motorboote: Auf Bayerns Gewässern wird es eng. Immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen.
von  Natalie Kettinger
Sonnenhungrige, Schwimmer, Segelboote, Schiffe: An Sommertagen wird es sehr voll am Starnberger See. Das führt zu Problemen.
Sonnenhungrige, Schwimmer, Segelboote, Schiffe: An Sommertagen wird es sehr voll am Starnberger See. Das führt zu Problemen. © dpa

Der Druck auf Bayerns Badeseen wächst: Der heiße Sommer, das günstige 9-Euro-Ticket und die während der Corona-Pandemie neu entflammte Liebe zur Natur führen dazu, dass es an und auf den Gewässern so voll ist wie selten zuvor. Weil es im Getümmel immer wieder zu gefährlichen Zwischenfällen kommt, schlägt nun die Seenschifffahrt Alarm – und fordert Schwimmer, Stand-up-Paddler (SUP) sowie Bootsfahrer dazu auf, sich an die geltenden Regeln zu halten.

Zwei Vorkommnisse in kurzer Zeit

Beispiel Starnberger See: Innerhalb von wenigen Tagen schafften es hier gleich zwei Vorkommnisse in die Zeitungen. Am 31. Juli wurde ein 32-jähriger Schwimmer aus München vor Kempfenhausen von einem Motorboot überfahren und starb. Am 4. August kletterten acht Jugendliche in Possenhofen über die Absperrung, um vom Dampfersteg aus ins Wasser zu springen. Ein Passagierschiff konnte deshalb nicht anlegen.

Der Frust bei denjenigen, die aus- oder zusteigen wollten, war groß. Die Teenager erwarten nun Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs und eines Verstoßes gegen die Schifffahrtsordnung. Die Bayerische Seenschifffahrt prüft zudem, ob sie Schadenersatzansprüche geltend macht.

Die Vorfälle auf Bayerns Seen häufen sich

"Früher kam es im Hochsommer vielleicht mal am Wochenende dazu, dass ein Steg wegen Schwimmern nicht angefahren werden konnte. Dieses Jahr passiert das ein bis zwei Mal die Woche", sagt Betriebsleiter Markus Färber. Dabei stünden rund um die Stege Schilder mit dem Hinweis, dass Wassersportler 100 Meter Abstand zu halten haben.

Schwimmer sind nur schwer zu sehen

Denn erstens sind Schwimmer von der Brücke der Fahrgastschiffe aus nur schwer zu sehen – vor allem bei Wellengang oder blendendem Sonnenlicht. Und zweitens ist es für die Kapitäne der mächtigen Ausflugsdampfer kaum möglich, schnell zu reagieren.

"Unsere Schiffe wiegen bis zu 500 Tonnen", sagt Markus Färber. Bei einem Notstopp dauere es 15 bis 20 Sekunden, bis der Schottelantrieb sich dreht und schließlich die Schraube in die andere Richtung laufe. Das Schiff sei vorübergehend manövrierunfähig – und fange erst dann an zu bremsen. "Bis zum Komplettstillstand fährt es – je nach Windverhältnissen – noch 500 bis 600 Meter." Das sei vielen nicht bewusst.

Diese Regeln gelten auf dem See

Welche Regeln gelten also auf den Seen im Freistaat? Die Linienschifffahrt habe immer Vorfahrt, erklärt Färber. Schwimmer und SUPs hätten an den Stegen und in Naturschutzgebieten nichts zu suchen. Motorboote müssten Seglern ausweichen, weil zweitere weniger flexibel sind, und zudem einen Abstand von 300 Metern zum Ufer halten.

"Für Schwimmer ist es daher außerhalb dieser Zone besonders gefährlich", warnt der Betriebsleiter der Seenschifffahrt. Eine Boje oder eine bunte Kopfbedeckung könnten die Sichtbarkeit und damit die Sicherheit der Badenden jedoch erhöhen.

Zehn Jahre warten für die Lizenz

Nicht nur bei der Seenschifffahrt, auch im Verkehrsministerium, das für die Bayerische Schifffahrtsordnung zuständig ist, weiß man um den steigenden Freizeitdruck auf die Gewässer. Zwar hat sich an der Zahl der Boote mit Verbrennungsmotor, die auf dem Starnberger See unterwegs sind, seit 2007 nichts geändert, was daran liegt, dass nur 280 Lizenzen ausgegeben werden. Wer eine solche beantragt, muss bis zu zehn Jahre darauf warten – und verliert sie nach fünf Jahren wieder.

Boote mit Elektroantrieb sind nicht limitiert

Anders verhält es sich jedoch bei Motorbooten mit Elektroantrieb. Ihre Zahl ist nicht limitiert. Aktuell schippern laut Landratsamt 1.625 davon über den Starnberger See, Tendenz stark steigend.

Einen Führerschein brauchen Privatleute für beide Arten von Motorbooten nicht – noch nicht. "Eine Führerscheinpflicht könnte dann in Betracht zu ziehen sein, wenn die Zahl der Elektromotorboote weiter ansteigt", teilt das Verkehrsministerium auf AZ-Anfrage mit. Man werde die weitere Entwicklung beobachten.

Tretbootfahrer haben oft keine Ahnung

Markus Färber allerdings bereiten die Besitzer eigener Schifferl weniger Sorgen als die Erholungssuchenden, die sich am Ufer ein Elektro- oder Tretboot ausleihen. Denn die hätten oft keine Ahnung, welche Regeln auf dem See gelten. "Und deshalb kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen – nicht unbedingt aus Rücksichtslosigkeit, sondern aus Unwissenheit."

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