Streit unter Eigentümern: Mammutprozess in der Meistersingerhalle
Nürnberg - "Wie viele werden kommen?" - Das Ergebnis derartiger Gedankenspiele ist die Anberaumung einer öffentlichen Verhandlung des Nürnberger Amtsgerichts im Großen Saal der Meistersingerhalle. Dort traten schon "Woodstock"-Legende Jimi Hendrix auf und zahllose klassische Orchester, dort fanden Messen, Kongresse und Landesparteitage statt, aber ein Prozess noch nie. Am 5. Oktober ist der Termin nun aber anberaumt.
Verlegung des Amtsgerichts in die Meistersingerhalle
Friedrich Weitner, Sprecher der Nürnberger Justizbehörden, sieht die Verlegung des Amtsgerichts in den Event-Tempel am Rand des idyllischen Luitpoldhains ganz pragmatisch. "Es war im Endeffekt die einzige in Frage kommende Räumlichkeit, mit der wir für alle Eventualitäten gewappnet sein müssten", lautet sein Fazit.
Selbst bei dieser Aussage schwingt der Unsicherheitsfaktor mit. "Prozesstechnisch möglich wäre auch, dass nur ein paar Anwälte und das Gericht kommen. Das aber ist unwahrscheinlich", beschreibt der Justizsprecher die Überlegungen seines Hauses.
Wahrer Ansturm: 400 Eigentümer klagen
Doch warum der Aufwand? Der Umstand, dass hinter der Klage, die verhandelt wird, fast 400 Eigentümer von Wohnungen im Nürnberger Neuselsbrunn-Komplex aus fünf 20-stöckigen Hochhäusern stecken, spricht für einen wahren Ansturm. Auch der Umstand, dass diese Eigentümer einen Beschluss der anderen Eigentümer kippen wollen, dürfte ein Magnet für Beteiligte und Zuhörer sein.

Ausgelöst wurde der veritable Streit durch die Stadt Nürnberg. Deren Bauexperten waren vor vier Jahren zu dem Ergebnis gekommen, dass die Dämmung unter den Fassaden aus Sicherheitsgründen nicht mehr zu verantworten sei und geradezu eine Einladung für eine Katastrophe in einem Brandfall darstelle.
Eigentümer fordern Schadenersatz
Angesichts dieses Szenarios biss eine große Mehrheit der Eigentümer in den sauren Apfel und stimmte bei zwei von der Hausverwaltung organisierten Versammlungen der sündhaft teuren Fassaden-Sanierung zu. 50.000 Euro bleiben bei den 25 Millionen Euro Sanierungskosten für jeden Eigentümer hängen. Mit der Klage wollen 350 Eigentümer nun diesen Beschluss kippen und selbst Schadensersatz fordern. Einem Gutachten zufolge, das sie anfertigen ließen, sei der Abriss der Fassaden gar nicht notwendig gewesen. Eine akute Brandgefahr habe demnach nie bestanden.
Zudem bezweifeln sie, dass die Hausverwaltung, die inzwischen abgelöst wurde, überhaupt befugt war, einen derartigen Beschluss herbeizuführen. Auch das soll gerichtlich geklärt werden.
Ausgehend von diesem Spannungsfeld spricht einiges dafür, dass selbst der Große Saal im Kommunalen Kultur- und Kongresszentrum der Stadt Nürnberg nicht ausreichen wird. Die coronabedingten Abstandsregelungen sorgen dafür, dass von den 2100 Sitzplätzen nur noch 200 für den Prozess übrig bleiben.
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