Streit um Straßenschild in Bayern: Bürgermeister oder doch ein Nazi?
Allersberg - Schilder, die Menschen gedenken, denen heutzutage keiner mehr diese Ehre erweisen wollen würde, sind nichts Ungewöhnliches. Erst vergangenes Jahr hatte die Stadt Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz drei Straßen umbenannt, die an Nazis erinnerten. Doch die Wilhelm-Burkhardt-Straße im mittelfränkischen Allersberg ist kein solches schändliches Überbleibsel des Dritten Reichs, sondern in einem Neubaugebiet entstanden.
Pünktlich zum großen Faschingsumzug mit über 10.000 Besuchern und der Ehrung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellte Allersberg die Schilder auf. Bürgermeister Daniel Horndasch (parteilos) nennt der AZ als Grund, dass der Bauhof erst jetzt dafür die Zeit gefunden habe. Georg Decker, der Vorstand der Grünen in Allersberg, vermutet für den Zeitpunkt der Montage ein anderes Motiv: "Das war taktisch wahrscheinlich so überlegt worden in der Hoffnung, dass es in dem ganzen Trubel untergeht", sagt er der AZ.
Straßenschild in Allersberg: Erkenntnisse eines Geschichtsstudenten werden ignoriert, ärgert sich Grünen-Vorstand
Schon seit 2021 steht der Beschluss, dass die Straße fortan den Namen von Wilhelm Burkhardt trägt. Erst danach ist Ex-Bürgermeister Bernhard Böckeler (CSU) auf die Mitgliedschaft bei der Sturmabteilung (SA) gestoßen. Später hatte ein Geschichtsstudent der Universität Erlangen-Nürnberg, Gregory Bey, mit Unterstützung seines Professors, Georg Seiderer, die Mitgliedschaft nachgewiesen. Ein Einlenken des Gemeinderats gab es daraufhin nicht. Auch ein Bürgerantrag fiel durch. "Das Gutachten des Studenten hat man ignoriert", ärgert sich Grünen-Vorstand Decker.
Aus den Recherchen Beys geht hervor, dass Burkhardt drei Monate in der SA war und 1944 nicht wegen seiner "demokratischen Einstellung", sondern wegen eines Herzleidens aus der Wehrmacht entlassen wurde. Zwar war Burkhardt für vier bis sechs Monate unmittelbar nach dem Krieg Bürgermeister von Allersberg – weswegen er ursprünglich auch Namensgeber der Straße werden sollte –, aber seine SA-Mitgliedschaft war für die damalige US-Militärverwaltung der Anlass, ihn kategorisch für eine Vereidigung auszuschließen. Die Gründe für seinen SA-Beitritt und seinen späteren Rauswurf sind bislang unbekannt.

Nazi oder Bürgermeister: Darf eine Straße in Bayern nach Wilhelm Burkhardt benannt werden?
"Der Gemeinderat hat beschlossen, eine saubere, unabhängige historische Untersuchung zu beauftragen, und danach wird er sich richten", sagt der Bürgermeister. Sollte sich herausstellen, dass Burkhardt wirklich Nazi gewesen war, müsse die Straße umbenannt werden – das ist Horndasch zufolge Konsens im Gemeinderat. "Das ist eine Verzögerungstaktik", sagt Decker. So ein Gutachten würde mindestens drei Jahre dauern. Bis dahin hätte es dann jeder vergessen, hoffen laut dem Grünen-Politiker die Befürworter. Horndasch will sich nicht auf eine konkrete Dauer festlegen. Er geht von einem halben bis zwei Jahren aus.
Dass sich der Gemeinderat gegen eine Umbenennung sträubt, hat laut Decker folgenden Grund: Burkhardts Enkel gehört dem Allersberger Bürgerforum an, das zusammen mit den Freien Wählern den Parteilosen als Gemeinde-Chefnominiert hat. Horndasch hingegen beteuert, dass es der Gemeinde um eine saubere Aufklärung gehe. "Die Vorgänge sind 70 oder 80 Jahre her. Ich glaube, da kann man sich auch die Zeit nehmen, um zu einer Entscheidung zu kommen, die dem Menschen auch gerecht wird."
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