Streit um Migration in Bayern eskaliert: "Musste in eigenem Landkreis in Sicherheit gebracht werden"

Migration überfordert die Kommunen mehr und mehr. Der Fall Warngau schafft es in den ZDF-Talk von Markus Lanz. Von Buhrufen und Morddrohungen.
von  Martina Scheffler
Die Einfahrt zur "Vivo", in deren Nähe die Container stehen sollen.
Die Einfahrt zur "Vivo", in deren Nähe die Container stehen sollen. © rah

Hamburg/Miesbach - Nach dem Streit um eine Flüchtlingsunterkunft in Warngau im Landkreis Miesbach hat sich Landrat Olaf von Löwis im ZDF bei "Markus Lanz" entsetzt von der damaligen Stimmung gezeigt. In einer Bürgerversammlung im Februar, in der der CSU-Politiker über das Vorhaben informierte, 500 Wohnplätze in dem kleinen Ort mit 3500 Einwohnern zu schaffen, hatte Löwis für seine Erläuterungen heftige Buhrufe geerntet.

Videoaufnahmen zeigen, wie er um Verständnis für die Flüchtlinge wirbt: "Die haben doch nichts verbrochen!" Sogar für seinen Verweis auf das Grundgesetz – "die Würde des Menschen ist unantastbar" – wurde Löwis ausgebuht. Beim Zeigen des Videos in der ZDF-Sendung musste der Landrat tief durchatmen.

"Habe gezittert": Miesbachs Landrat Olaf von Löwis muss vor Bürger in Sicherheit gebracht werden

Nach der Veranstaltung habe er den Ort in einem Polizeiauto verlassen, auf das dann auch noch Traktoren zugehalten hätten. "Ich habe gezittert", gab Löwis in der am Dienstagabend ausgestrahlten Sendung zu. "Überlegen Sie mal, das ist Ihr eigener Landkreis, wo Sie in Sicherheit gebracht werden müssen", unterstrich Gastgeber Markus Lanz die Brisanz der Ereignisse.

Olaf von Löwis, Landrat des Landkreises Miesbach in Oberbayern, sieht sich angesichts der Unterbringung von Flüchtlingen in dem kleinen Ort Warngau Anfeindungen ausgesetzt. In der ZDF-Sendung "Markus Lanz" berichtete er davon.
Olaf von Löwis, Landrat des Landkreises Miesbach in Oberbayern, sieht sich angesichts der Unterbringung von Flüchtlingen in dem kleinen Ort Warngau Anfeindungen ausgesetzt. In der ZDF-Sendung "Markus Lanz" berichtete er davon. © Screenshot: ZDF

Löwis wollte die Situation offenbar nicht zu hoch hängen, sprach von einer aufgehetzten Gruppe und gab an, "Sorgen und Ängste" der Einheimischen künftig noch ernster zu nehmen.

Aufgeheizte Stimmung in Bayern: Wer es schafft, Dörfer "flüchtlingsfrei" zu halten, sei ein "Held"

In Warngau sollen 500 Flüchtlinge auf einem 10.000 Quadratmeter großen Gelände untergebracht werden, das zum kommunalen Abfallentsorger gehört, dessen Eigentümer der Landkreis ist. Wie Medien berichten, soll es insgesamt vier Containerwürfel geben. Allerdings nur für die Dauer von zwei Jahren. Neben der Größe der Anlage kritisieren viele auch die fehlende Infrastruktur und die Lage fernab von umliegenden Dörfern. Als Chef einer Kommune habe man es mit solchen Themen schwer, gab Löwis an. Jeder, der es schaffe, sein Dorf "flüchtlingsfrei" zu halten, sei ein "Held".

Umgekehrt kann es auch schon einmal Morddrohungen geben, wenn es anders läuft, berichtete René Wilke (Linke), Oberbürgermeister der brandenburgischen Stadt Frankfurt an der Oder. Die Rathauschefs "werden in Mithaftung genommen" zu den Krisenherden dieser Welt wie Gaza oder der Ukraine, sagte Wilke zu Lanz: "Als Amtsträger muss man heutzutage damit rechnen, dass auch mal Morddrohungen kommen." Der sichtlich schockiert zuhörende Lanz reagierte empört: "Das kann nicht sein, schon gar nicht in diesem Land!"

Der CSU-Landrat aus Miesbach fühlt sich von der großen Politik im Stich gelassen

Löwis schilderte, wie er von der großen Politik mit seinen konkreten Problemen vor Ort im Stich gelassen wird. So habe er an übergeordnete Stellen mindestens fünf Brandbriefe in 14 Monaten geschrieben, Tenor: "Wir brauchen eine Pause!" Dies sei jedoch immer abgelehnt worden. "Die Busse kommen, 50 Personen steigen aus und der Busfahrer fährt wieder weg." Dann muss der Landrat sehen, wie er die Neuankömmlinge, von deren Anreise er nur wenige Tage vorher erfahre, unterbringt.

Auch die Oberbürgermeisterin von Aachen in Nordrhein-Westfalen, die parteilose Sibylle Keupen, gab an, über zu wenig Sozialwohnungen und zu wenig Kitaplätze in ihrer Stadt im Dreiländereck Deutschland-Belgien-Niederlande zu verfügen. Auch Löwis räumte ein, man habe "keine Wohnungen, nicht mal für die Einheimischen".

Debatte um Flüchtlinge: Markus Lanz fragt nach der Gerechtigkeit

"Wo bleibt die Gerechtigkeit?", brachte Markus Lanz ein mögliches Problem für die Akzeptanz von Flüchtlingen ins Spiel. Der "Verteilungskampf" werde immer härter, während die Politik "Migration einfach laufen" lasse. Für Akzeptanz seien gleich mehrere Punkte wichtig, sagte der Frankfurter OB Wilke: etwa dass ein plausibler Fluchtgrund vorliege. Auch würden Familien eher akzeptiert als alleinstehende Männer.

Ein großes Problem für Akzeptanz ist Wilke zufolge die oft fehlende Möglichkeit, Straftäter abzuschieben. Es dürfe nicht sein, dass Einheimische Schutz suchen müssten vor Menschen, die eigentlich in Deutschland Schutz suchen.

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