Streit im Tourismus-Hotspot in Bayern: Ein Bürger versucht, Seefeste am Ammersee zu verhindern

Utting am Ammersee - Im Sommer sollen der Uttinger Summermarkt und die Seebühne wieder zahlreiche Kulturbegeisterte an den Ammersee locken. Im Summerpark, direkt am Ufer, können Anwohner und Gäste dann für wenige Tage zahlreiche Kulturveranstaltungen genießen. Die Seebühne und der Summermarkt sind eine Ausnahme, denn ansonsten gibt es nicht mehr viel zu feiern für die Uttinger. Der Summerpark – einstiges Gelände des legendären Restaurant Summer mit Biergarten bis zum Ufer – ist heute ein gemeindlicher Landschaftspark mit strenger Parkordnung.
Anwohner verschickt Anwaltsschreiben, um Seefeste am Ammersee zu verhindern
Am 21. Juni startet die kurze Seefest-Saison mit dem Summermarkt – alles wie gehabt. Nicht ganz, denn kürzlich hat ein Anwohner versucht, den Feierlichkeiten am See ein Ende zu setzen. Grund: der Lärm. Bei den Veranstaltern trudelte Ende Februar ein 40-seitiges Anwaltsschreiben ein, inklusive eigens in Auftrag gegebenem Lärmgutachten. Dazu die Androhung einer einstweiligen Verfügung. "Das war eine Aneinanderreihung von Unterstellungen", sagt Miene Gruber, Veranstalter des Summermarkts, der AZ. Absurd findet er die Forderungen des Mannes. Er habe sich immer "haargenau" an die Vorschriften gehalten.
Dennoch wird Gruber in diesem Jahr Abstriche machen müssen. Um Punkt 22 Uhr ist Schluss mit Musik und Gastro. Gruber ärgert sich über die Einschränkungen – auch wenn er mit dem Kompromiss leben kann. "Früher haben die Leute auf dem Campingplatz am See die ganze Nacht Sauflieder gesungen. Damit bin ich aufgewachsen und das fand ich schön." Er stellt seitdem einen immer größer werdenden Egoismus fest. "Die Empfindlichkeit und das dringende Bedürfnis Recht zu haben und etwas unbedingt durchzusetzen wird größer", sagt er.
Veranstalter müssen Einschränkungen vornehmen: "Das bedeutet für uns weniger Einnahmen"
Ihn stört vor allem die Art und Weise der Kommunikation des Anwohners: "Ich habe den noch nie persönlich gesehen. Der war noch nie da und hat gesagt, es ist zu laut." Dabei habe er schon viele gute Erfahrungen mit anderen empfindlichen Nachbarn gemacht. Sein Grundstück habe der Anlieger zwei Häuser neben dem Summerpark. Er sei jedoch eher ein Wochenendgast – der genug Ausweichmöglichkeiten besitze, sagt Gruber.
Für Florian Münzer und seine Seebühne ist der Mann kein Unbekannter. Schon 2011 sei dieser mit einer Klage gegen das Fest gescheitert, sagt Münzer der AZ. Seit 1997 gibt es die Seebühne. "Der Mann ist auf dem Grundstück aufgewachsen und kennt das Ganze eigentlich." Umso unverständlicher sei die Auseinandersetzung für ihn. Münzer hat die geplanten Seebühnen-Aufführungen von 20 auf 16 Tage zwischen 20. Juli und 10. August reduziert, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Denn im Wohngebiet – an das der Park grenzt – darf nach 22 Uhr eine Lautstärke von 35 Dezibel nicht überschritten werden - außer an maximal 18 Tagen im Jahr.
Das Hin und Her und die Einschränkungen haben Folgen: "Das bedeutet für uns weniger Einnahmen", sagt Münzer. "Bei einer wetterabhängigen Veranstaltung kann das dann dazu führen, dass wir irgendwann pleite gehen." Durch die Erhöhung der Eintrittspreise konnte Münzer etwas entgegensteuern. "Doch das können wir nicht jedes Jahr machen."
Gemeinderat und Bürger stehen hinter den Veranstaltern: "Welle der Solidarität ist durch Utting gegangen"
Der Gemeinderat Utting stärkt den Veranstaltern den Rücken. Im März wurden die Seebühne und der Summermarkt – mit den genannten Abstrichen – einstimmig genehmigt. Auch aus der Bevölkerung ist der Rückhalt groß. Nach den Drohungen des Anwohners startete Gruber die Petition "Rettet den Summermarkt und die Seebühne in Utting". Innerhalb kürzester Zeit konnten über 4000 Unterschriften gesammelt werden – bei etwa 4700 Einwohnern. "Eine Welle der Solidarität ist durch Utting gegangen", freut sich Gruber.
Eine Zeit lang hätte es kein anderes Thema in dem Ort am Ammersee gegeben. "Die Menschen haben mir gesagt, das ist Uttinger Kultur, das darf keinem Einzelinteresse zum Opfer fallen." Um den drohenden Rechtsstreit zu finanzieren, gab es zudem eine Crowdfunding-Kampagne. 10.000 Euro innerhalb von vier Tagen wurden gespendet. Ein direkter Nachbar des Summerparks hat laut Gruber einen hohen Betrag beigetragen. "Das macht mich glücklich und bestärkt mich."
Droht ein Abbruch der Feste? "Wir haben festgelegt, dass wir uns nicht einschüchtern lassen"
Wie geht es nun weiter? Sobald die Veranstaltungen starten, könne es passieren, dass der Anwohner noch einmal auf Angriff geht, sagt Münzer. Rechtlich sehen sich die beiden auf der sicheren Seite. Gruber ist zudem sicher, dass ein Stopp der Feierlichkeiten eine starke Wut bei den Menschen auslösen würde. "Das würde auf die Gefühlslage einer gewissen Ungleichheit treffen, mit dem einen, der das Geld hat und sich scheinbar alles erstreiten kann auf der einen und den normalen Menschen auf der anderen Seite."
Er sei jedoch ein friedfertiger Mensch und froh, dass die Auseinandersetzung "mit der scharfen Klinge des Rechts gefochten wird". Zunächst werden sich Gruber und Münzer aber nicht mehr weiter in ihren Vorbereitungen stören lassen: "Wir haben festgelegt, dass wir uns nicht einschüchtern lassen und bereiten die Veranstaltungen ohne Wenn und Aber vor."