Streik der Spitzenverdiener: Das bekommt ein Hausarzt
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat für die Mediziner ein Jahreshonorar in Höhe von mehr als 206000 Euro ermittelt – trotzdem stehen Patienten vor verschlossenen Praxis-Türen
Wer in dieser Woche seinem Hausarzt noch einen Termin abstatten wollte, hat wahrscheinlich Pech: Am Donnerstag und am Freitag machen die meisten bayerischen Hausärzte ihre Praxen dicht. Rund 5000 von ihnen haben nach Angaben des Bayerischen Hausärzteverbands im Vorfeld erklärt, dass sie sich an der Protestaktion beteiligen werden.
Warum das Ganze? Es geht ihnen zum einen darum, sich gegen „diffamierende Kampagnen“ zu wehren. Zum anderen protestieren sie gegen die Sparpläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler. Konkret wollen sie, dass die so genannten Hausarztverträge, die ihnen Sondervergütungen bescheren, auch künftig beibehalten werden. Über deren jetzige Vertragslaufzeit hinaus.
Jetzt stehen die Zeichen also zwei Tage lang auf Streik – und das, obwohl die Hausärzte inzwischen sogar mehr Honorar haben als Fachärzte. Das hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) berechnet.
Den Zahlen zufolge hat ein Hausarzt im vergangenen Jahr durchschnittlich 206368 Euro Honorar erhalten. Das bedeutet ein Plus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei stehen Allgemeinmediziner etwas schlechter da als der Durchschnitt. Hausärztlich tätige Internisten und Kinderärzte, die zum „hausärztlichen Versorgungsbereich“ zählen, hatten mehr.
Für Fachärzte hat die KBV ein durchschnittliches Jahreshonorar von rund 203000 Euro ermittelt – immerhin auch eine Steigerung um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings gibt es bei den Fachärzten gewaltige Unterschiede. Am meisten verdienen fachärztlich tätige Internisten – sie haben laut KBV ein durchschnittliches Jahreshonorar von über 450000 Euro. Dagegen müssen Anästhesisten sich mit rund 173400 Euro begnügen.
Freilich müssen von diesen Beträgen noch zahlreiche Fixkosten abgerechnet werden. Den Hausärzten bleibt in der Regel aber mehr Reinerlös übrig als ihren Facharztkollegen.
Beim Bayerischen Hausärzteverband verwehrt man sich gegen „Neidkampagnen“ gegen den eigenen Berufsstand. „Mit Phantasiezahlen über die Einkünfte der Hausärzte wollen einige Politiker und insbesondere FDP-Politiker den Protest der Hausärzte unglaubwürdig machen“, steht in einer Presseerklärung. Die jetzt veröffentlichten KBV-Zahlen seien teils „getürkt“, sagt Hausärzte-Chef Wolfgang Hoppenthaller zur AZ. „Tatsächlich bleiben vielen Kolleginnen und Kollegen ohne unsere Sonderverträge mit den Kassen nicht einmal mehr 4000 Euro im Monat vor Steuern.“
Das wären keine 50000 Euro im Jahr. Eine Zahl, die sich nicht mit dem deckt, was Statistiken der Kassenärztlichen Vereinigungen und Zahlen des Statistischen Bundesamts hergeben. Dabei kommt man nämlich auf einen Reinerlös von 136103 Euro für einen Durchschnitts-Hausarzt.
„Warum gehen denn alle Ärzte ins Ausland, wenn hier angeblich alles so toll ist?“, fragt Verbands-Chef Hoppenthaller. Er und seine Kollegen stehen wegen ihrer Protestaktion in der Kritik. Wer „hilfesuchende Patienten“ aussperrt, so Ralf Langejürgen vom Verband der Ersatzkassen in Bayern, der handele „nicht nur fahrlässig, sondern zutiefst unsozial“. Damit würden gerade diejenigen geschädigt, von denen die Honorargelder kommen. Der Landesverband der Betriebskrankenkassen stößt ins selbe Horn: „Streikende Hausärzte zeigen ihren Patienten die kalte Schulter und vergessen dabei, dass es ihre Patienten sind, die für die ärztliche Vergütung in die Geldbörse greifen müssen.“
Julia Lenders
5946 Euro Netto-Verdienst: So kommt er zustande
Wie viel Honorar bekommt ein Arzt? Wie teuer kommt ihn seine Praxis zu stehen? Was bleibt unterm Strich übrig? Auf diese Fragen geben die Honorarstatistiken der Kassenärztlichen Vereinigungen und Zahlen des Statistischen Bundesamts Aufschluss. Demnach sieht die Einkommenssituation eines durchschnittlichen Allgemeinmediziners folgendermaßen aus:
Einnahmen: 2009 erhielt ein durchschnittlicher Allgemeinmediziner, der als Hausarzt tätig ist, an Kassenhonoraren 200068 Euro – inklusive der Vergütungen durch die Hausarztverträge. Das sind aber nicht seine einzigen Einnahmen: Eine durchschnittliche Arztpraxis macht nur 71 Prozent ihres Umsatzes mit Kassenpatienten – die übrigen 29 Prozent sind im wesentlichen Privat-Abrechnungen. So steigt der Umsatz auf 281786 Euro.
Ausgaben: Von diesem Umsatz muss der Arzt seine Praxis-Kosten bezahlen. Ein Viertel geht für Personalkosten drauf, 6,7 Prozent für Miete, 3,8 Prozent für Laborkosten. Zieht man alle Kosten vom Umsatz ab, bleiben im Schnitt 48,3 Prozent – im Falle eines Durchschnitts-Hausarztes also 136103 Euro Reinerlös. Bei Fachärzten ist der Reinerlös niedriger, bei Radiologen beträgt er zum Beispiel nur ein Drittel des Umsatzes.
Einkommen: Ein Durchschnitts-Hausarzt verfügt also in Deutschland über Brutto-Einkünfte von 136103 Euro – diese muss er noch versteuern, seine private Kranken- und Rentenversicherung bezahlen. Ein 35-jähriger Allgemeinmediziner, der in Bayern lebt, verheiratet und katholisch ist und zwei Kinder hat, muss 43550 Euro Steuern zahlen. Eine private Rentenversicherung (Eintritt mit 67 Jahren, 4000 Euro Ruhestandsgeld monatlich) kostet beispielsweise 1500 Euro im Monat, privat hat er sich für 267 Euro monatlich krankenversichert. Bleibt ein monatliches Netto-Einkommen von 5946 Euro. Der Spitzenverdiener unter den Medizinern, der Radiologe, kommt in der gleichen Konstellation auf ein Netto-Einkommen von 9831 Euro. tha
Detailliertere Infomationen finden Sie beim Statistischen Bundesamt unter www.destatis.de, wenn Sie das Stichwort Arztpraxen angeben.