Straßenausbaubeitragssatzung: Der große Ärger um die Strabs - Hubert Aiwanger will Volksbegehren

München - Die Abkürzung Strabs klingt eigentlich ganz harmlos, fast nett. Doch dahinter versteckt sich eine teure Pflicht, die Anliegern Angst und Schrecken und im schlimmsten Fall leere Konten beschert.
In der Straßenausbaubeitragssatzung steht, Gemeinden sollen Anlieger an den Kosten für die Verbesserung von Straßen, Wegen und Plätzen beteiligen. 1.492 der über 2.000 bayerischen Gemeinden haben – Stand 2015 – eine entsprechende Satzung.
Nun machen sich die Freien Wähler für deren Abschaffung stark – die CSU im Landtag hält davon aber nichts. FW-Fraktionschef Hubert Aiwanger sagt: "Das System ist ungerecht, streitanfällig und verursacht in den Kommunen erheblichen Verwaltungsaufwand sowie politischen Ärger." Aiwanger legte jetzt einen Gesetzentwurf im Landtag vor, über den am Mittwoch beraten werden soll. Außerdem drohte er mit einem Volksbegehren: "Sollte sich die Staatsregierung hier weiter unnachgiebig zeigen, steht ein neues Volksbegehren der Feien Wähler im Raum." In der Summe gehe es nur um gut 60 Millionen Euro jährlich, die bisher von Anwohnern für den Straßenausbau eingesammelt würden, erklärte Aiwanger.
Anwohner zahlen jetzt gut 60 Millionen Euro im Jahr
Der einzelne Anwohner könne aber schnell mal mit 10 000 Euro und mehr zur Kasse gebeten – und überfordert – werden (siehe Kasten rechts). Die CSU warf den Freien Wählern Populismus vor. Der CSU-Innenexperte Florian Herrmann warnte zudem vor einem Schaden für die Kommunen. Die geltenden Regelungen sähen eben vor, dass Städte und Gemeinden für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen Beiträge erheben "sollen".
An dieser "Soll"-Regelung hätten bislang alle Fraktionen festgehalten. "Alle Parteien im Bayerischen Landtag – auch die Freien Wähler – haben einem Antrag zugestimmt, die aktuelle Regelung zwei Jahre nach Inkrafttreten zu evaluieren, also zum 1. April nächsten Jahres." Der Vorstoß schaffe Unruhe, kritisierte Herrmann.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat vergangenes Jahr entschieden, dass Gemeinden die Grundstücksbesitzer in der Regel nicht vor fälligen Straßenausbaubeiträgen verschonen dürfen.
Damals hatte die Gemeinde Hohenbrunn im Südosten Münchens geklagt. Bürgermeister Stefan Straßmair wollte etwa 80 Anwohner von den Kosten verschonen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärte in seinem Urteil, das "Sollen" im Gesetzestext habe verbindlichen Charakter. In München ist die Satzung 2015 abgeschafft worden. Für die Erschließung bittet die Stadt aber weiterhin zur Kasse (AZ berichtete).
"Das ist ein ganz schöner Batzen": Ein Betroffener berichtet
Günter Sommermann (76) sagt: "Für mich ist das Abzocke des Bürgers". Er meint die Strabs. Sommermann wohnt mit seiner Lebensgefährtin in deren Haus in Erdweg im Landkreis Dachau. Für eine Verbesserung einer Straße, die hinter ihrem Grundstück ohne Zugang oder gar Zufahrt dazu verläuft, sollen sie jetzt zahlen.
Wie viel genau, ist noch nicht bekannt. "Aber die Vorausleistungsbescheide sind da", sagt Sommermann, "es geht um fünfstellige Beträge, das ist ein ganz schöner Batzen", sagt er und schluckt. Für viele Ältere bedeute es, ihr mühsam Erspartes aufzubrauchen. Für einen Weg, den sie nicht einmal nutzen. "Man muss den Freien Wählern danken, dass sie da mal reinstochern", sagt der 76-Jährige. Er hofft, die Satzung werde geändert oder ganz abgeschafft.
"Als Gemeinde kannst du da nix machen, sagt er, der selbst im Gemeinderat sitzt. Denn wer sein Anrainer nicht zur Kasse bittet, bekomme vom Land keine Zuschüsse mehr.