Steuersünder-Daten am Flohmarkt gefunden

Uwe Hüttinger kaufte angeblich leere Festplatten – und entdeckte vertrauliche Informationen bayerischer Finanzämter
von  Abendzeitung
Der Pappenheimer Bauunternehmer Uwe Hüttinger mit einer der Festplatten, auf der er die geheimen Steuerdaten fand.
Der Pappenheimer Bauunternehmer Uwe Hüttinger mit einer der Festplatten, auf der er die geheimen Steuerdaten fand. © Stephan Tiroch

Uwe Hüttinger kaufte angeblich leere Festplatten – und entdeckte vertrauliche Informationen bayerischer Finanzämter

PAPPENHEIM/MÜNCHEN An einen Zufall will Uwe Hüttinger, Bauunternehmer aus Pappenheim (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen), nicht mehr glauben. Zweimal kaufte er an unterschiedlichen Tagen auf unterschiedlichen Flohmärkten bei unterschiedlichen Händlern unterschiedliche Festplatten. Zweimal enthielten sie das gleiche: geheime Steuerdaten bayerischer Finanzämter aus den Jahren 1999 bis 2006. Das Bayerische Landesamt für Steuern bemüht sich um Schadensbegrenzung...

Auf den alten, nur teilweise gelöschten Platten findet sich ein Sammelsurium extrem heikler Informationen. Etwa eine Liste mit 468 Steuersündern. Oder: ein pikantes Disziplinarverfahren gegen einen Münchner Steuerbeamten, der Nachforderungen in Höhe von mindestens 6,5 Millionen D-Mark verjähren ließ. Außerdem: eine Liste mit Angaben über gut 500 Waffen samt Auflistung von Kaliber, Käufer und Kaufdatum. Hüttinger: „Ich hab’ gedacht, ich spinn’, als ich das gesehen hab’!“

Auf den beiden Speichermedien befinden sich Daten der Finanzämter Ingolstadt, Augsburg, Traunstein und Nördlingen. Von dem Datenschiffbruch sind bereits jetzt weit über 1000 Bürger im Freistaat betroffen.

Angeblich werden alle Festplatten mechanisch zerstört

Mehr sollen es auch nicht sein, meint das zuständige Landesamt für Steuern in München. Behörden-Sprecherin, Charlotte Weigelt: „Vorliegend handelt es sich um ein Fehlverhalten eines Einzelnen, so dass wir derzeit davon ausgehen, dass sich keine weiteren Festplatten im Umlauf befinden.“ Die disziplinar- und strafrechtlichen Ermittlungen laufen. Die ausrangierten Speichermedien aller bayerischen Finanzämter würden üblicherweise mit einem magnetischen Verfahren gelöscht und kämen anschließend in einen versperrten Container.

Den holt eine private Firma „unseres Vertrauens“ ab, die sich um die mechanische Zerstörung der Platten kümmert, erklärte Weigelt. Die Sprecherin geht nun davon aus, dass eine Einzelperson sich Zugang zu den Festplatten verschafft hat. Warum diese Person dann nur exakt zwei Festplatten geklaut haben sollte, bleibt allerdings das Geheimnis der Pressesprecherin.

Nicht auszuschließen, dass auf irgendeinem Flohmarkt in der Republik also noch weitere brisante Daten für wenig Geld zu haben sind.

Was macht der Datenschutz in Deutschland?

Uwe Hüttinger hat erstmal genug von gebrauchten Festplatten: „Ich hab’ die Schnauze voll von dem ganzen Hickhack damit.“ Als er nämlich seinen dritten Versuch unternahm, eine restlos gelöschte Festplatte auf einem Ingolstädter Flohmarkt zu erstehen, war er wieder erfolglos. Nach einem kurzen Durchlauf mit einem handelsüblichen Datenwiederherstellungs-Programm stieß er auf vertrauliche Daten zweier Schulen aus Ingolstadt und Berlin mit Noten und Schülerbewertungen sowie eines Autohauses, das im Namen von Audi Neuwagen in die ganze Welt überführt.

Nachdem er die erste Steuer-Festplatte an die Treuchtlinger Polizei weitergegeben hatte, erhielt er einen persönlichen Dankesbrief vom Vize-Präsidenten des Landesamts für Steuern, Paul-Alexander König. Als er auf die zweite Platte stieß, rief Hüttinger dann selbst in München an: „Da hab’ ich schon an der Stimme gemerkt, dass die nervös sind.“ Am nächsten Morgen stand eine Mitarbeiterin der Behörde vor Hüttingers Firmentür in Pappenheim – und nahm die Festplatte in Empfang.

Ein schaler Beigeschmack ist bei Uwe Hüttinger geblieben: „Ich frage mich heute, was macht der Datenschutz in Deutschland, und wie wird mit unseren Daten umgegangen?“ Jan Stephan

Wie Sie Ihre Daten sicher schützen, lesen Sie in der Print-Ausgabe der Nürnberger Abendzeitung vom 14. Juli.

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