Stau! Trauerfeier ohne Angehörige

Obwohl die Familie mit dem Auto feststeckt, wird der Großvater auf dem Westfriedhof beigesetzt. Schuld ist der enge Zeitplan der Verwaltung.
Helmut Reister |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Gähnende Leere am Grab. Die Totengräber sollen häufiger vor Eintreffen der Familie ans Werk gegangen sein.
imago Gähnende Leere am Grab. Die Totengräber sollen häufiger vor Eintreffen der Familie ans Werk gegangen sein.

Nürnberg - Trauerfeiern im Eiltempo soll es auf den städtischen Friedhöfen Nürnbergs in Zukunft nicht mehr geben. Seit bekannt wurde, dass eine Trauerfeier von den städtischen Friedhofswärtern durchgepeitscht wurde, obwohl die Kinder und Enkel des Verstorbenen im Verkehrsstau feststeckten, schlagen die Emotionen hoch. Denn mittlerweile steht fest: Es war kein Einzelfall.

Überfrierender Regen hatte die Straßen in eine spiegelnde Eisfläche verwandelt und für ein Verkehrschaos gesorgt. Überall Stau. Mittendrin steckte eine Familie mit dem Auto fest, die sich auf dem Weg zum Westfriedhof befand. Der verstorbene Vater und Großvater der Insassen sollte an diesem Tag im Krematorium eingeäschert werden. Vor der Trauerfreier, so war es gedacht, wollten die Angehörigen des Toten am offenen Sarg Abschied nehmen. Doch das war nicht möglich.

Obwohl andere Verwandte, die sich bereits auf dem Friedhof befanden, telefonisch von der Verspätung unterrichtet worden waren und auch den zuständigen Friedhofsordner informiert hatten, wurde mit der Trauerfeier begonnen. Die Friedhofsverwaltung wollte den engen Zeitplan nicht durcheinander bringen. So war die Zeremonie dann auch schon vorbei, als die im Stau stecken gebliebenen Angehörigen eintrafen. Pech gehabt.

Pech gehabt? Der Fall wurde daraufhin sogar ein Thema im Stadtrat. Stadtkämmerer Harald Riedel: „Das ist unglaublich belastend für die Angehörigen, bei denen ich mich nur entschuldigen kann.“ Das tat der Mann aus der Chefetage des Rathauses auch im Namen des Oberbürgermeisters.

Eine Rekonstruktion der Abläufe förderte zu Tage, dass dies kein Einzelfall war. Die Ursache für das Durchziehen der Trauerfeier um jeden Preis sahen die Stadträte in dem zu engen Zeitplan, der keinen zeitlichen Puffer für solche Fälle vorsieht. Das soll sich jetzt ändern. Statt sieben Urnenbeisetzungen an einem Tag wie bisher sollen in Zukunft nur noch sechs derartige Zeremonien stattfinden, um den Ablauf zeitlich zu entspannen. Einkalkuliert werden künftig auch nicht mehr 30 Minuten für die Trauerfeier, sondern 45.

Auf den Leserbriefseiten der Lokalzeitungen und den entsprechenden Internetforen überschlagen sich die Emotionen. Viele kritisieren die unflexible Haltung der Friedhofsverwaltung, die mehr Entgegenkommen zeigen hätte sollen.

Es gibt aber auch durchaus Stimmen, die das anders sehen. Vielleicht hätten die Angehörigen am Vorabend den Wetterbericht ansehen und am nächsten Tag früher losfahren sollen, kommentiert ein Diskussionsteilnehmer die Verspätung der Angehörigen. Er handelte sich sofort verbale Ohrfeigen ein.

Angehörige, so die Reaktion auf derartige Äußerungen, hätten vielleicht etwas anderes im Sinn als den Wetterbericht anzuschauen.

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.