Statt mit dem Säbel kämpft er mit Falsett
NÜRNBERG - Friedensmission auf dem Schaumteppich: Der britische Schmachtfetzer James Blunt wärmte in der Nürnberger Arena 5000 „Verlorene Seelen“ – ein Kuschelkurs fürs richtige Mitgefühl
Mittendrin lädt der Sympathiewuschel das ergriffene Publikum ein, hinter das „Image“ des Musikgeschäfts zu blicken. Denn es gehe ja nicht um Ruhm, Glamour und Berühmtheit, sondern um „Mitgefühl“. Ein „ganz wichtiger Song“ folgt in der Nürnberger Arena, in dem der Friedensmissionar, der erfolgreich von Blauhelm-Captain auf Tränendrüsenjäger umschulte, seine Kosovo-Erfahrungen bebildert. Und dann ziehen zu „No Bravery“ auf den Videoleinwänden zerstörte Häuser und Kinder mit diesen Ackermann-Fingern vorbei. Statt im Waffenrock hüllt sich James Blunt also in Schmachtfetzen, statt mit dem Säbel kämpft er mit dem Falsett. So „High“ es nur geht. Dann zwitschern die weiblichen Fans tausendfach seinen Hormonschleudergang mit.
Wo sich Discofox und Betthase gute Nacht sagen, hat es sich der 34-jährige Hit-Millionär gemütlich gemacht mit seiner akustischen Gitarre. Es geht um Liebe und Abschied, zur Abwechslung mal auch um „Love“, „Libbe“ und den Klang brechender Herzen. Der brave Soldat Blunt ist ein Gefühlsmensch, den man am liebsten aussitzt. In Nürnberg zumindest, wo die Arena-Ränge mit 5000 vollbesetzt sind, aber die Ice-Tigers im Parkett durchaus auch noch eine Übungseinheit abhalten könnten. Auch der englische Schüchterling nützt das Parkett als Kontakthof, wenn er – ganz Offizier und Gentleman – händeschüttelnd durch die Reihen zur kleinen Zweitbühne eilt.
Stellungswechsel gehören zum Ordnungssystem, das einem ganzen Abend in halber Drehzahl Entertainer-Dynamik verpassen will. Aber der Begrüßungs-Entengang, der Dauernebel, die Laser-Lichtspiele und blinkenden Milchstraßen sind nur Ablenkungsmanöver für einen herzerfrischenden Langweiler, der zwar auf der Bühne erscheint wie ein Nachzügler der Beat-
„Monkeys“, dessen (wahrhaft tadelloser) Sound und (wahrhaft verwechselbare) Band aber prima zu den Bügelfalten seines Anzuges passen.
Das trieft mitunter mehr, als es ins Innere trifft. So bleibt auch der Griff zur himmelblauen E-Gitarre nur eine Rock-Floskel, Denn schon im nächsten Song werden mit „You’re so beautiful“ wieder die Landeklappen ausgefahren. Ein musikalischer Schaumteppich ist dann zu bewundern, dessen Umrisse an Gilbert O’Sullivan, „Supertramp“ Roger Hodgson und „Coldplay“-Schluchzen erinnern. Die Glasur ist zu dick und berührt zu wenig.
So baut der strahlende Zuckerbäcker „All the Lost Souls“ (Tourtitel) ein Zuhause, entzündet seine größten Erfolge sorgsam über 90 Minuten verteilt wie wärmende Flammen. Ein singendes Teelicht. Vermutlich nennt Ikea bald eine Serie „Blunt“. Andreas Radlmaier
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