Stadt gegen Land bei den Grünen: Das steckt hinter Gisela Sengls Kampfkandidatur

Die bayerischen Grünen kommen auf dem Land nicht gut an. Ausgerechnet die abgewählte Gisela Sengl tritt nun für den Parteivorsitz in Bayern an. Die AZ hat mit ihr über die Gründe gesprochen.
Heidi Geyer |
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Gisela Sengl ist im Oktober nicht wieder in den Landtag eingezogen. Sie ist für den Stimmkreis Traunstein angetreten.
gisela-sengl.de Gisela Sengl ist im Oktober nicht wieder in den Landtag eingezogen. Sie ist für den Stimmkreis Traunstein angetreten.

Die 63-Jährige lebt im Landkreis Traunstein und saß von 2013 bis 2023 im Landtag. Sie bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Mann einen Bio-Bauernhof und betreibt einen Bioladen.

AZ: Frau Sengl, wie kommt es dazu, dass Sie kandidieren?
GISELA SENGL: Mir sind die Grünen sehr wichtig. Die Lehre aus der Landtagswahl ist für mich, dass wir eigentlich nur auf dem Land Stimmen verloren haben - in der Stadt sind die Ergebnisse gleichgeblieben. Da müssen wir was tun und dürfen auf keinen Fall so weitermachen! Auf die Ampel kann man zwar einerseits schimpfen, wobei die auch wirklich viel machen. Ich glaube, wir brauchen ein anderes Zuhören und eine andere Sprache auf dem Land - und vielleicht auch ein anderes Verständnis.

Geben Sie damit nicht genau dem Narrativ von CSU und Freien Wählern recht, nämlich dass die Grünen eben eine Städterpartei sind?
Das schaut auf den ersten Blick so aus. Nur: Die CSU und die Freien Wähler haben das ja geschaffen. Der ganze Wahlkampf wurde mit einem klaren Feindbild Grüne geführt. Gerade die Freien Wähler haben vor allem das Narrativ der siebengscheiten Grünen, die noch nie gearbeitet haben, kultiviert und aufgehetzt. Das geht vollkommen an der Realität vorbei: Ich kenne so viele bodenständige und g'standene Grüne. Dennoch hat die Hetze in schwierigen Zeiten verfangen. Ich finde das verantwortungslos vonseiten der CSU und der Freien Wähler.

Grüne Bayern: Spitze nicht divers genug?

Was muss sich bei den Grünen selbst ändern, dass sie auf dem Land wieder stärker werden?
Man braucht ein Gesicht dazu, und dieses Gesicht möchte ich gerne sein. So wie sich die Grünen jetzt präsentieren mit drei wirklich tollen Leuten an der Spitze, alle für sich sehr gute Leute, repräsentieren diese drei (Anm. d. Redaktion: die derzeitigen Vorsitzenden Eva Lettenbauer, Thomas von Sarnowski und Fraktionschefin Katharina Schulze) eigentlich alle das Gleiche: Sie sind jung, sehr gut gebildet, wirken eher städtisch – auch wenn Eva Lettenbauer tatsächlich vom Land kommt. Ich finde, man muss aber auch andere Gruppen repräsentieren. Zum einen Ältere, aber auch Menschen mit einer anderen beruflichen Erfahrung – das eine ist nicht schlechter wie das andere. Mir geht es darum, dass man unterschiedlichen Background zeigen sollte. Ich sehe mich da als Ergänzung.

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Sie haben Ihr Mandat verloren, kandidieren nun für den Parteivorsitz - wie passt das zusammen?
Ich glaube, ich habe meine Arbeit gut gemacht und 13 Prozent sind nicht so schlecht für einen ländlichen Stimmkreis. Aber ich war bei der letzten Wahl wesentlich besser. Die Grünen sind zum Feindbild erklärt worden, das hat man im Festzelt in Hart gesehen. Mein Thema Landwirtschaft ist da auch kein dankbares Thema. Markus Söder ist durch alle Bierzelte getourt und hat jedes Mal über die Grünen gehetzt. Ja, ich habe mein Mandat verloren - aber ich bin ja nicht die Einzige, die auf dem Land verloren hat. Deswegen ist es wichtig, dass wir Grüne vom Land in der Partei mehr Präsenz zeigen.

Gisela Sengl: Wütende Bauern stören Weihnachtsfeier

Nichtsdestotrotz scheinen Sie für viele Landwirte ein Feindbild zu sein. Sogar Ihre Weihnachtsfeier wurde gestört.
Ich glaube, ein Feindbild ist da jede Grüne und jeder Grüne. Als agrarpolitische Sprecherin war ich immer gesprächsbereit und kenne natürlich viele Landwirte. Aber ich lasse mir nicht meine Weihnachtsfeier stürmen! Deshalb habe ich auch die Polizei gerufen. Ich kenne viele Bauern, ob konventionell oder bio, das sind ganz tolle Leute. Aber es gibt eine Gruppe, die anscheinend immer radikaler wird. Eine Ampel am Galgen, das sind faschistische Symbole und ich fühle mich da bedroht. Das sind AfD-Methoden und das geht nicht!

Was muss sich inhaltlich ändern bei den Grünen? Wo würden Sie als Vorsitzende andere Schwerpunkte setzen?
Die Sprache - dafür ist das Gebäudeenergiegesetz ein gutes Beispiel. In der Stadt ist das kaum aufgefallen, weil kaum jemand betroffen war. Ganz anders am Land: Da gibt es viel Wohneigentum und es gibt viele Handwerksfirmen, die seit Jahren Wärmepumpen und PV-Anlagen bauen. Aber die haben wir schlicht nicht mitgenommen!

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Ihre Kandidatur wird auch als Kampfkandidatur aufgefasst.
Ich würde eher sagen: eine alternative Kandidatur. Wer die Eva Lettenbauer und mich kennt, weiß, dass wir sehr unterschiedlich sind. Jetzt haben die Delegierten die Wahl!

Kandidatur von Sengl: Keine Absprache mit Münchner Kandidaten

Der Münchner Ludwig Sporrer kandidiert nun auch. Treten Sie gemeinsam an?
Nein. Er hat es mir aber mitgeteilt vorab. Man merkt daran, dass die Unzufriedenheit bei den Grünen an der Basis einfach groß ist. Ich will nicht sagen, dass ich alles besser machen würde - aber ich habe den Impuls, dass man mehr an der Seite der Kreisverbände stehen muss. In drei Jahren ist Kommunalwahlkampf, da müssen wir auch wieder stark auftreten. Die Europawahl ist auch sehr wichtig für uns, derzeit sehen die Umfragen nicht so gut aus. Wir haben einiges zu tun. Vor allem den Menschen klar zu machen: Grüne Politik ist für die Menschen, und nicht gegen sie. Wir brauchen wieder einen Flow wie damals, als es das Volksbegehren zur Artenvielfalt gab. So einen positiven Veränderungswillen müssen wir wieder hervorbringen.

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