Sozialverband VdK: "Eine soziale Krise verhindern"

Der Sozialverband VdK erhebt Vorwürfe an die Staatsregierung sowie den Bund - und fordert angesichts des derzeitigen Preisanstiegs sofortiges Handeln.
von  Lisa Marie Albrecht
Eine Helferin in Fürth packt einem Bürger Hygieneartikel in die Tasche. Wegen der Preissteigerungen droht eine soziale Krise, sagt der VdK.
Eine Helferin in Fürth packt einem Bürger Hygieneartikel in die Tasche. Wegen der Preissteigerungen droht eine soziale Krise, sagt der VdK. © picture alliance/dpa

Es kommt selten vor, dass Verena Bentele den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) lobt. Doch mit seiner Unterstützung für die Forderung des Sozialverbands VdK, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wie Obst und Gemüse zu senken, hat er sich bei der VdK-Präsidentin Respekt verschafft. Von "unerwarteter Schützenhilfe" sprach sie gestern im Presseclub in München.

Die ist nach Ansicht des Verbands sowohl bayern- als auch bundesweit dringend nötig. "Aus der Corona-Krise, der Ukraine-Krise, der Inflationskrise, der Energiekrise und der Klimakrise darf auf gar keinen Fall eine soziale Krise werden", sagt Bentele, die auch Teil des VdK-Landesvorstands Bayern ist. "Das muss unter allen Umständen verhindert werden."

"Die Maschen im sozialen Netz werden immer größer"

Und beim Blick auf den Freistaat ist es ganz schnell vorbei mit Lob: Der Landesverband wirft der Staatsregierung mit Blick auf den jüngsten Sozialbericht vor, die Armutsgefährdung in Bayern schönzureden. Landesverbandsvorsitzende Ulrike Mascher sagt: "Die Maschen im sozialen Netz werden immer größer, und immer mehr Menschen fallen durch."

So ziehe die Staatsregierung für die Armutsgefährdungsquote als Vergleichswert immer den Bundesmedian heran, wodurch sich für Bayern im Jahr 2019 eine Armutsgefährdungsquote von 11,9 Prozent ergebe. Betrachte man den Landesmedian, ergebe sich für 2019 aber eine Quote von 14,7 Prozent.

Verena Bentele.
Verena Bentele. © Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/

"Die Staatsregierung sucht sich die Zahlen aus, die ihr besonders gut zu Gesicht stehen", so Mascher. Dabei würde die Armutsquote auch im Freistaat steigen, besonders Alleinerziehende und Senioren seien benachteiligt.

Verschärft wird die Lage durch die derzeit enorm hohen Preissteigerungen, warnt Bentele. In Bayern etwa lag die Inflation im Juli dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bei 8 Prozent. "Haushalte mit niedrigen Einkommen sind insbesondere durch den Anstieg der Heiz- und Energiekosten sowie der Lebensmittelpreise überproportional belastet", so die VdK-Chefin.

Drittes Entlastungspaket gefordert

Hier müsse die Bundesregierung dringend Maßnahmen ergreifen - vor allem mit Blick auf den kommenden Winter.

Der VdK fordert konkret ein drittes Entlastungspaket, das auch gezielt Rentnerinnen und Rentnern zugute kommt, die bei der Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro leer ausgegangen sind - eine Tatsache, gegen die der VdK nun vor Gericht ziehen will. Darüber hinaus dürfe auf die ab Oktober geplante Gasumlage (AZ berichtete) keinesfalls eine Mehrwertsteuer fällig werden.

Der Verband fordert ein Bürgergeld in Höhe von 680 Euro - und mehr

Zudem ist es aus Sicht des Sozialverbands dringend notwendig, Mieter zu schützen, die sich die hohen Nebenkosten nicht mehr leisten können, indem man ein großzügiges Zahlungsmoratorium einführt. Bentele begrüßte die Idee von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), den Kreis der Wohngeldberechtigten auszuweiten, mahnte aber Tempo an.

Auf lange Sicht reicht das dem Verband aber noch nicht: Ein Bürgergeld in Höhe von mindestens 680 Euro, eine Kindergrundsicherung und eine "Rente für alle", wie sie der VdK seit Längerem fordert, sind aus Benteles Sicht unerlässlich, um für Stabilität in der Gesellschaft zu sorgen.

Um dies alles zu finanzieren, müsse es ein gerechteres Steuersystem geben, das Vermögende stärker in die Pflicht nimmt, "Gewinne und große Erbschaften werden kaum angetastet", moniert Bentele. "Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum die soziale Kluft so rasch wächst." Ihr Appell an den Bundeskanzler: Die Stärkung des Sozialstaats zur Chefsache zu machen.

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