Sozialverband Bayern über Licht und Schatten im Koalitionsvertrag
Welchen Stellenwert haben Armutsbekämpfung und Altersarmut bei der Ampel-Regierung? Der Sozialverband VdK Bayern hat den neuen Koalitionsvertrag genau unter die Lupe genommen - das Fazit der Präsidentin Verena Bentele: "Es hätte mehr drin sein können. Doch noch ist das Glas halb voll."
Während Deutschlands größter Sozialverband, der sich etwa für soziale Gerechtigkeit einsetzt, also einige Vorhaben der neuen Regierung begrüßt, warnt er vor anderen und bewertet manches sogar als Fehlentscheidung.
Die Rentenpolitik
Insgesamt nannte Bentele es "die größte Enttäuschung", dass der "historisch richtige Moment für einen Einstieg in ein Sozialsystem für alle wieder einmal verpasst" wurde. Auch der Einstieg in die Pflegevollversicherung und das Auflösen der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung, sowie des Beamtenpensionssystems seien versäumt worden. "Stattdessen wird am bestehenden System geschüttelt, geschraubt und geschnitten."

Doch sieht die VdK-Präsidentin drei Erfolge "auf dem Siegerpodest" der Rentenpolitik: Erstens werde es laut Koalitionsvertrag keine Rentenkürzungen und zweitens keine Anhebung des Renteneintrittsalters geben. Das Rentenniveau werde zudem bei 48 Prozent gesichert - doch seien hier laut VdK 53 Prozent notwendig.
Ein weiteres Versprechen der Ampel betreffe die 1,2 Millionen Erwerbsminderungsrentner, die vor 2019 wegen Erkrankungen vorzeitig in Rente gehen mussten. Laut Koalitionsvertrag sollen für diese Gruppe Verbesserungen umgesetzt werden - ein "überfälliger Schritt der Angleichung".
Das Thema Armutsbekämpfung
"Licht und Schatten" bilanzierte Bentele auch beim Thema Armutsbekämpfung. Die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro ist ihrer Meinung nach richtig. Doch um mit einem Vollzeitjob eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu erlangen, seien 13 Euro erforderlich, sagte sie.
Die gleichzeitige Anhebung der Minijobgrenze von 450 auf 520 Euro kritisierte Bentele heftig: Dies sei eine der "riesigen Schattenseiten, die ich nur mit Kopfschütteln begegnen kann". Damit fördere die Bundesregierung die ohnehin schon große Verdrängung sozialversicherungspflichtiger Jobs. "So haben wir uns eine aktive armutsbekämpfende Arbeitsmarktpolitik von der neuen Bundesregierung definitiv nicht vorgestellt."
Zu loben sei, dass der in der Pandemie etablierte, vereinfachte Zugang zur Grundsicherung ("Hartz IV") bleiben soll. Ebenso begrüßt werde die neue Kindergrundsicherung. "Eine Sorge bleibt jedoch: Zur Höhe der Regelsätze fällt kein Wort. Dabei ist das eine der wirklich großen Baustellen, die wir in Deutschland haben", so Bentele. Die steigenden Lebenshaltungskosten träfen die Betroffenen hart. "Immer mehr Wohnungen sind nicht beheizt, immer mehr Menschen können sich keine frischen Lebensmittel mehr leisten."