Sorgenkind Ostbayern – so schlimm ist das Hochwasser

Regensburg/Straubing/Deggendorf/Freising/Schrobenhausen - Das Sorgenkind in Ostbayern heißt in diesen Tagen: Donau. Deggendorf, Straubing, Regensburg - überall dort herrscht der Katastrophenfall. Die Devise: ohne Panik, aber mit Respekt. Den wünschen sich die Anwohner auch von Schaulustigen.
Regensburg
Am Montagmittag hat die Donau die Sechs-Meter-Marke in Regensburg überschritten und in der Werftstraße herrscht routinierte Geschäftigkeit: Die Anwohner bauen vor Türen und Fenstern Sandsackbarrieren, die Stadt und die Feuerwehr kontrollieren die mobilen Hochwasserwände und das THW baut Stege für den absoluten Notfall auf. Es ist für die allermeisten hier nicht der erste Katastrophenalarm. "Die Stimmung ist gut", sagt Erna Brieger. Sie wohnt seit 70 Jahren hier, unterhalb der Eisernen Brücke, "und ich hab schon viele Hochwasser mitgemacht. Wir helfen einfach zusammen, und dann schaffen wir das hier auch wieder".

Gebraucht wird tatsächlich jeder, erzählt eine Nachbarin: "Die Älteren kennen die Häuser und wissen, wo das Grundwasser herauskommt. Die Kontrollschächte, die muss man regelmäßig anschauen. Aber auch die Sandsäcke braucht es, die können die Jüngeren besser tragen." Alle Parteien in dem fünfstöckigen Haus packen mit an. Hilfe bekommen sie von der Stadt, die mit Feuerwehrleuten und anderen Helfern das Material angeliefert hat und dafür sorgt, dass alles die richtigen Abnehmer findet. Weiter hinten in der Straße laufen Pumpen, die in hohem Bogen durchgesickertes Wasser zurück in den Fluss befördern. Denn weder sind die mobilen Wandsysteme völlig wasserdicht, noch kann der Untergrund dem hydraulischen Druck des angestauten Wassers lange widerstehen.
Die Nachbarin von Erna Brieger spricht noch ein anderes Problem an: "Die Hochwassertouristen. Gaffer. Die schämen sich nicht, sogar nachts auf unseren Stegen herumzuspazieren. Betrunkene klettern auf die Schutzwände. Das ist inzwischen so schlimm, dass es einen eigenen Sicherheitsdienst braucht. Das verstehe ich halt gar nicht." Das Schlimmste wäre, da sind sich die Leute in der Werftstraße einig, wenn die Barriere plötzlich von einem Baum oder einem anderen schweren Treibgut getroffen würde: "Wenn das Wasser plötzlich kommt, da kannst du so gut wie gar nichts machen. Aber so nach und nach, da kann man damit arbeiten."
Straubing
"Ich bin hier aufgewachsen, man weiß, wie die Donau ist." Das sagt Andrea Straubinger und blickt in Richtung Damm. Dort ist der Weg wegen des steigenden Pegels bereits gesperrt. Jeder hier wisse, dass die Donau auch ihre Tücken mit sich bringt, doch ohne sie würde es auch nicht gehen: "Die Gstütt-Insel ist meine Heimat", sagt sie über ihr Zuhause direkt neben der Donau.

Die Stadt hatte am Montag den Katastrophenfall ausgerufen. Um die Anwohner nahe der Donau zu schützen, errichteten städtische Mitarbeiter eine Schutzmauer aus extragroßen Sandsäcken. Die Big Packs fassen jeweils rund 1,8 Tonnen Sand. Die Barriere am Schanzlweg entlang einer Wohnsiedlung ist etwa 400 Meter lang. Dort sagt eine Anwohnerin: "Uns geht es nicht gut - gar nicht gut." So lange das Hochwasser 2013 zurückliegt, so plötzlich sind die Erinnerungen im Straubinger Osten nun zurück. "Wir können gar nicht schlafen, schauen immer wieder nach, ob das Wasser gestiegen ist und die Prognosen stimmen." Der Scheitel wird in Straubing für diesen Dienstag erwartet. Am Montagmorgen lag der Pegel bei 6,74 Metern.
Momentan sei sie noch relativ ruhig, sagt wiederum Straubinger von der Gstütt-Insel. "Was ich viel schlimmer finde, sind die Schaulustigen. Gestern kam ich mir vor wie bei der Lampionfahrt." Zur Erklärung: Die Veranstaltung während des Gäubodenvolksfestes zieht jedes Jahr sehr viele Besucher zur Donau. Trete ein Notfall ein oder müssten Einsatzkräfte die Donau erreichen, dann hätten sie erst einmal damit zu tun, überhaupt an allen vorbeizukommen. "Das finde ich schlimmer als die Situation an sich."
Deggendorf
Dort musste am Montag aufgrund des Hochwassers ein Passagierschiff evakuiert werden. Mehr als 140 Menschen wurden mit Booten an Land gebracht, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes. In Niederalteich und Winzer verstärken Sandsäcke die Dämme.
Freising
Tausende Einsatzkräfte kämpfen seit Tagen bayernweit gegen das Hochwasser, schleppen Sandsäcke, befreien Menschen aus hilflosen Situationen.Und gleichzeitig sollen andere Personen teils in den überfluteten Gebieten baden! Von solchen Beobachtungen berichtet jedenfalls der Landkreis Freising in einer Mitteilung. Ohne viele Worte ist klar: Das Hochwasser ist gefährlich und unberechenbar. Das Landratsamt Freising hat deswegen am Montag durchgegriffen - mit einer Allgemeinverfügung. Diese verbietet das Baden und Befahren von fließenden Gewässern.
Ebenso ist es untersagt, die Deiche im gesamten Landkreis-Gebiet zu betreten, "für das laut dem Hochwassernachrichtendienst Bayern die Meldestufe 1 erreicht wurde". Davon ausgenommen sind die Einsatzkräfte, die anderen helfen.Wer sich nicht an diese Allgemeinverfügung hält, der könnte "ein Zwangsgeld von bis zu 5000 Euro" zahlen müssen. Die Verfügung endet, wenn der Katastrophenfall im Landkreis Freising aufgehoben wird.
Schrobenhausen
Rettungskräfte haben im vom Hochwasser stark betroffenen Schrobenhausen eine Leiche im Keller eines Hauses entdeckt. Es handele sich um die vermisste 43-Jährige, nach der seit Sonntag gesucht worden war (AZ berichtete), sagte ein Polizeisprecher am Montag. Bis zuletzt hatten wir noch die Hoffnung einer Rettung. Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen", teilte Landrat Peter von der Grün (parteilos) mit. Am Montag stabilisierte sich die Lage in Schrobenhausen langsam - die Vorbereitungen für Aufräumarbeiten wurden jedoch von der Trauer um das Opfer überschattet. Die Frau ist das zweite bekannte Todesopfer des Hochwassers in Bayern.

Am Sonntagmorgen war in Pfaffenhofen an der Ilm ein Feuerwehrmann tot geborgen worden, der bei einer Rettungsaktion ums Leben gekommen war. Der 43-Jährige war bei einem Einsatz mit drei Kollegen mit dem Schlauchboot gekentert. Vermisst wird in Bayern zudem ein weiterer Feuerwehrmann. Der 22-Jährige war im schwäbischen Offingen in der Nacht zum Sonntag mit einem Boot der DLRG-Wasserrettung unterwegs gewesen. Das mit fünf Einsatzkräften besetzte Boot war aufgrund starker Strömung gekentert. Vier Einsatzkräfte im Alter zwischen 24 und 70 Jahren konnten sich demnach aus eigener Kraft an Land retten und blieben unverletzt. Nach dem 22-Jährigen suchten Helfer der Freiwilligen Feuerwehren, der DLRG-Wasserrettung, der Wasserwacht, der Bundeswehr und der Polizei.