Söder und Seehofer demonstrieren Einigkeit: Kuscheln, bis der Wahltag kommt

Die CSU will dem andauernden Umfragedebakel mit Geschlossenheit begegnen und die AfD stärker attackieren. "Wir kämpfen um den Sieg, nicht um eine Koalition", sagt der Vorsitzende.
Natalie Kettinger |
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Traute Einigkeit – zumindest nach außen: Parteichef Horst Seehofer (l.) und Ministerpräsident Markus Söder.
Peter Kneffel/dpa Traute Einigkeit – zumindest nach außen: Parteichef Horst Seehofer (l.) und Ministerpräsident Markus Söder.

München - Am Tag, an dem zum ersten Mal in einer Wahl-Umfrage die 35 vor dem Komma steht, versuchen die CSU-Spitzen die Tristesse wegzukuscheln. Vorbei das Gerangel der Alphamännchen, vorbei die Schuldzuweisungen in Richtung Berlin. Als Parteichef Horst Seehofer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nach der gestrigen Vorstandssitzung vor die Presse treten, geben sie sich demonstrativ harmonisch, lächeln, spielen verbal gekonnt Doppelpass. "Ich bin zufrieden mit der Verfassung der CSU", sagt Seehofer.

Doch die Lage ist ernst. So ernst, dass der Vorsitzende wirkt, als wolle er seiner Mannschaft Mut machen, wenn er Dinge sagt wie: "Wir wissen, dass viele, viele Wahlen und Entscheidungen buchstäblich auf der Zielgerade getroffen wurden"; noch seien 50 Prozent der Menschen unentschlossen; und überhaupt liege die Wahrheit in der Wahlurne.

Was da nach aktueller Meinung der Demoskopen aber tatsächlich schlummert, ist der Verlust der absoluten Mehrheit. Man stehe vor einer paradoxen Situation, sagt Söder: Bayern gehe es besser denn je. Dennoch bestimmten bayerische Themen nicht allein das Geschehen. Allseits zu spüren sei hingegen "ein Wind", der durch Europa und Deutschland wehe, überall würden die politischen Ränder stärker.

Söder: AfD hat "Maske der Bürgerlichkeit verloren"

Um gegenzusteuern, will sich die CSU nun auf Bayern konzentrieren, inhaltlich Kurs halten und auf neue Hiobsbotschaften souverän reagieren. "Man muss Umfragen ernst nehmen, man muss aber auch nicht hyperventilieren", sagt Söder. Er rechne damit, dass sich ein Teil der Bürger ganz anders verhalte als prognostiziert, weil er sich nicht bevormunden lassen wolle.

Wahlplakat-Flut in München: Völlig verkopft

In den verbleibenden fünf Wochen bis zur Landtagswahl will sich die CSU zudem klar ihren Gegnern stellen, allen voran der AfD. Diese sei heute extremer und radikaler als in ihren Anfangszeiten, sagt Söder. Vor drei, vier Jahren habe sie als Protestbewegung begonnen, heute stelle sie das System in Frage. Das gelte auch für den Landesverband im Freistaat. "Die bayerische AfD ist eine Höcke-Truppe und wandert ganz stark nach rechts". Der Thüringer AfD-Chef hatte in Chemnitz Seite an Seite mit Pegida-Aktivisten und Rechtsextremen an einer Demonstration teilgenommen. Die AfD habe die "Maske der Bürgerlichkeit" verloren, sagt Söder. Das müsse man dem Bürger klar machen.

Seehofer weist eine Mitverantwortung der CSU am Erstarken der AfD zurück. "Dass die CSU die AfD stark gemacht hat, ist ein Märchen." Die Migrationsfrage habe zum Aufblühen der AfD geführt. Und dazu hätten auch andere Parteien wie die Grünen beigetragen, etwa mit permanenten Forderungen, bei der Zuwanderung da und dort noch großzügiger zu sein. "Das will die Bevölkerung nicht." Einige Wähler scheinen die Grünen aber doch zu wollen. In Bayern sind sie derzeit laut Erhebungen zweitstärkste Kraft. Auch wenn CSU-Generalsekretär Markus Blume ihnen vorwirft, sie würden "ein Bayern der Bevormundung und der Fahrverbote" anstreben.

Söder: "Hemmungslose Orientierungslosigkeit" bei der FDP

Über denkbare Regierungspartner wollen die CSU-Granden denn auch lieber nicht sprechen. "Es ist die erste Aufgabe einer Partei, dass sie um den Sieg kämpft, nicht um eine Koalition", sagt Seehofer. Man wolle aus eigener Kraft "maximal stark" werden, sagt Blume.

Und Söder lästert über die FDP, die im Freistaat gerne koalieren würde, auf Bundesebene aber gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz klagt: Dass sich die Liberalen zu diesem Zweck mit der Linken zusammengetan hätten, spreche für die "hemmungslose Orientierungslosigkeit" der Partei.

Wie auch immer. Angesichts der zunehmenden Zersplitterung der europäischen Parteienlandschaft wähnt sich CSU-Spitzenkandidat Markus Söder als Teilnehmer eines Marathonlaufs: Es gehe ihm nicht um einen Sprint, um die Wahl zu gewinnen. Er laufe einen "Marathon für die Demokratie – um sie in diesem Land zu erhalten".

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Anderen sahen die vergangenen Wochen allerdings eher als Hindernislauf mit Horst Seehofer als Hürde. Weder dessen Verständnis für die Demonstranten in Chemnitz, noch seine Bekundung, ohne politisches Amt wäre er auch auf die Straße gegangen, seien hilfreich gewesen, heißt es aus Vorstandskreisen. "Seehofer zerstört doch alles."

Nach außen dringen sollten solche Töne bis zum Wahltag freilich möglichst nicht. Lieber schließt man öffentlichkeitswirksam die Reihen, treten Söder und Seehofer – am Samstag beim Parteitag in München, später in Ingolstadt und beim Wahlkampfabschluss – in trauter Einigkeit auf.

Es bleibt spannend. Mindestens bis zum 14. Oktober. Vermutlich auch darüber hinaus.

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