Söder und die K-Frage: In der CSU wächst die Ungeduld

Aus den eigenen Reihen werden die Stimmen immer lauter: Söder soll Kanzlerkandidat der Union werden - andere warnen vor "Merkel 2.0" und raten ihm ab.
von  Ralf Müller
Derzeit im Rampenlicht: der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), hier kürzlich bei einer Sitzung des bayerischen Kabinetts in der Staatskanzlei.
Derzeit im Rampenlicht: der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), hier kürzlich bei einer Sitzung des bayerischen Kabinetts in der Staatskanzlei. © Matthias Balk/dpa Pool/dpa

München - Der Vizepräsident des bayerischen Landtags und CSU-Abgeordnete Karl Freller hat einen fundierten Vorschlag für den nächsten Bundeskanzler zu machen. Freller empfiehlt einen ehemaligen Mitarbeiter, der 1991 für monatlich 480 D-Mark in seinem Schwabacher Abgeordnetenbüro tätig war. Das Arbeitszeugnis für Söder, Markus, findet Freller zwar nicht mehr, aber es sei "sicher gut" gewesen, erinnert er sich.

Söder als Kanzler? CSU-Abgeordneter Freller meint Söder sei "absolut fähig"

Sein ehemaliger Mitarbeiter sei "absolut fähig, das Amt des Bundeskanzlers exzellent auszuführen", sagt Freller. "Er wird mit Sicherheit ein guter Bundeskanzler werden." Freller ermutigt seinen Parteichef, den Hut in den Ring zu werfen. Jede Kandidatur berge Risiken. Es wäre aber "keine Schande", in einer so schwierigen Situation wie zur Zeit das Rennen um das Kanzleramt zu verlieren. Anderenfalls wäre es "für Bayern schon eine tolle Sache". Jeder sollte sich jetzt die Gewissensfrage stellen: "Was ist gut für Deutschland?"

"Wenn die CDU ihn will, sollte er es machen." 

Die Aufforderung richtet sich an diverse Parteifreunde, die eine Kandidatur Söders für keine gute Sache halten. Deren Zahl schrumpft aber offensichtlich, was auch mit der personellen Alternative des CDU-Vorsitzenden Armin Laschet zu tun hat.

Josef Zellmeier, niederbayerischer CSU-Abgeordneter und Vorsitzender des Haushaltsausschusses, hat sich nach früherer Skepsis zu der Einschätzung durchgerungen: "Wenn die CDU ihn will, sollte er es machen." Das sei auf jeden Fall besser als im Bund "eine Situation wie in Baden-Württemberg" zu bekommen. Er meint damit eine grün-schwarze Koalition mit der Union als Juniorpartner.

Ex-Ministerpräsident Huber fordert Klarheit in der K-Frage

Markus Ferber, Chef des CSU-Bezirksverbands Schwaben, äußert sich kryptisch: "Ich bin dafür, dass der nächste Bundeskanzler nicht von den Grünen kommt." Die Vorsitzende der CSU-Frauen-Union, Ulrike Scharf, sagt: "Wir haben einen absoluten Siegeswillen - wir wollen gewinnen." Und es klingt nicht so, als ob dies ein Plädoyer für den CDU-Vorsitzenden Laschet wäre. In jedem Fall wächst auch in der CSU die Ungeduld. In der K-Frage "muss jetzt Klarheit her", sagt der ehemalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber.

Andere Namen als Laschet und Söder jetzt noch ins Spiel zu bringen, "führt nicht weiter". Bedenkenträgereien in seiner Partei über die Folgen, die eine von der CSU getragene Kanzlerschaft etwa für die nächste Landtagswahl mit sich bringen könnte, lässt Huber nicht gelten: Das "mächtigste politische Amt" würde zur CSU kommen, der "politische Wert" der CSU gewaltig steigen. Dieses Gewicht sollte jedem CSU-Anhänger bewusst sein, so Huber. "Ein Rumnörgeln über Folgeentscheidungen zählt nicht."

Kanzlerkandidat der Union soll kein Merkel 2.0 sein

Die "Folgeentscheidungen" umschreibt der ehemalige bayerische Justizminister Winfried Bausback so: "Für uns in Bayern würde die Situation nach einer Wahl von Markus Söder zum Kanzler nicht leichter, aber die Volkspartei CSU kann auch so eine Situation meistern." Für den Aschaffenburger Abgeordneten kommt nur einer als Unions-Kanzlerkandidat in Frage: Deutschland brauche gerade nach der Pandemie einen "pragmatischen Macher wie Markus Söder an der Spitze der Bundesregierung, der die in der Krise deutlich gewordenen Schwachpunkte unseres Landes anpackt".

Obwohl es für Bayern "ein großer Verlust" wäre, sollte sich Söder "in den Dienst der Sache stellen", meint auch der unterfränkische Parlamentarier Berthold Rüth: "Aus meiner Sicht ist er der einzige Kandidat, dem man guten Gewissens Deutschland in dieser schwierigen Phase anvertrauen kann."

Den früheren bayerischen Wirtschaftsminister und Landesvorsitzenden der Mittelstandsunion, Franz Josef Pschierer, beunruhigt die Äußerung Söders "Wer die Stimmen von Merkel möchte, muss Politik wie sie machen". Egal, wer Kanzlerkandidat der Union werde, er werde die Bundestagswahl "nicht in erster Linie mit Merkel-Stimmen gewinnen", warnt er. Die Menschen wollten kein "Weiter so", sondern Antworten, wie man mit den Herausforderungen der gegenwärtigen Krise und Zukunftsfragen umgehen wolle: "Sie wollen jetzt kein Merkel 2.0. Ich befürchte sogar, dass viele dann ein Baerbock 1.0 bevorzugen."

Ein Experte sagt: "Alles Machtspiele im fluiden Stimmungsmilieu"

Der Münchner Politikwissenschaftler und Leiter des Centrums für angewandte Politikforschung (CAP), Werner Weidenfeld, teilt Pschierers Sorgen. Von keinem der in Frage kommenden Kanzlerkandidaten ist der Politikforscher begeistert. Weder bei den Unions-Kandidaten noch bei den Grünen sei "eine wirkliche strategische Konzeption dahinter", sagt er.

Auch Söder lasse eine "strategische Perspektive" vermissen. Die Macht aber bekomme, "wer die Lage deuten und erklären kann". Solange dazu keiner der potenziellen Kandidaten in der Lage sei, seien alles nur "Machtspiele im fluiden Stimmungsmilieu". Weidenfeld rät Söder davon ab, zu kandidieren. Es habe noch nie einen erfolgreichen CSU-Kanzlerkandidaten gegeben. Söder sei auch nur "so lange beliebt, wie er Ministerpräsident von Bayern ist". Als Kanzler könnte er nicht so eine Politik zum Wohle Bayerns betreiben, wie er das derzeit tue "und außerhalb von Bayern wäre er als Kanzler möglicherweise weit weniger beliebt".

Sollte das Unerhörte Wirklichkeit und ein CSU-Chef Kanzler werden, stellt sich zwingend die Frage, wer ab Herbst den Freistaat Bayern regieren soll. Die besten Chancen hat in diesem Fall wohl Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Als Vorsitzende des größten CSU-Bezirksverbands Oberbayern könnte sie die CSU-interne Machtbalance zwischen Franken und Altbayern wieder austarieren und eine Frau an der Spitze des Freistaats würde der CSU ohnehin gut anstehen. Genannt werden aber auch noch die derzeitige bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber sowie die CSU-Minister Albert Füracker (Finanzen), Joachim Herrmann (Inneres) und Florian Herrmann (Staatskanzlei).

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