Söder kritisiert Länder-Wettlauf: Mehr Macht für den Bund

München (dpa/lby) - Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat mit scharfen Worten einen Länder-Wettlauf bei den Anti-Corona-Lockerungen kritisiert und mehr Macht des Bundes beim Infektionsschutz gefordert. "Ehrlicherweise, glaube ich, wäre es besser, wenn der Bund da mehr verbindliche rechtsnormative Kraft hätte als das jetzt der Fall ist", sagte Söder nach einer Kabinettssitzung am Dienstag in München.
Söder warnte eindringlich vor einem Paradigmenwechsel im Kampf gegen das Coronavirus und Lockerungen, wie sie in Thüringen angedacht gewesen seien - etwa vor dem Aufheben der Maskenpflicht. "Wer glaubt, Corona verschwindet langsam, ist im besten Falle naiv", sagte er.
Der CSU-Chef forderte zudem, über Lockerungen für Urlaubsreisen sollte der Koalitionsausschuss von Union und SPD kommende Woche beraten und diskutieren. Er persönlich sei skeptisch, was große Urlaubsreisen angehe. In Italien und Frankreich gebe es noch ganz andere Infektionszahlen. Das müsse auf Bundesebene gut überlegt werden. Und das könne auch keine Einzelentscheidung eines Ministers sein, sondern das sei eine Grundsatzfrage der Koalition.
Eine Ministerpräsidentenkonferenz dagegen hält Söder als derzeitiger Vorsitzender der Runde nicht für sinnvoll. Im Moment würde dies wenig bringen, sagte er - er habe sich darüber auch mit Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und seinem Baden-Württemberger Kollegen Winfried Kretschmann (Grüne) ausgetauscht. Denn zuletzt sei es nicht einmal gelungen, sich auf der Ebene der Staatskanzleichefs zu einigen.
Söder betonte deshalb, er sei zwar überzeugter Föderalist, aber beim Infektionsschutz wäre eine stärkere Führung des Bundes "sehr hilfreich" - moralisch, aber auch rechtlich. Der aktuelle "Wettlauf" der Länder habe das Vertrauen der Bürger nicht gestärkt, klagte er.
"Über die Gesamtentwicklung bin ich ehrlich gesagt ein bisschen unglücklich in den letzten Wochen", sagte Söder. Es gebe immer mehr ein "Auseinanderbrechen" in der Einschätzung der Herausforderung. Da gehe es nicht darum, ob man in einzelnen Ländern manches schneller öffne, das sei dem unterschiedlichen Infektionsgeschehen geschuldet. "Jeder der Kollegen gibt sich da, glaube ich, große Mühe." Söder, der in den vergangenen Monaten immer wieder selbst vorgeprescht war, klagte nun: "Im Moment ist mein Eindruck, dass das Gesamtfundament und die Akzeptanz für gemeinschaftliche Lösungen sehr zurückgeht."
Söder kritisierte, Lockerungen, wie sie in Thüringen überlegt worden seien, wären für Deutschland ein absoluter Rückschritt und gefährlich gewesen. Das Abstandsgebot und die Maskenpflicht seien "die Basis und das Fundament eines jeden Schutzkonzepts". Man müsse nicht nur die Vernünftigen vor den Unvernünftigen schützen, sondern auch die Unvernünftigen vor sich selbst, mahnte der CSU-Politiker.
Söder kündigte an, Bayern werde "mit Rat und Tat" zur Seite stehen, sollten Thüringer Kommunen wie der Landkreis Sonneberg an der Grenze zu Bayern von der dortigen Landesregierung alleingelassen werden. Gegebenenfalls werde man mehr Personal und Testkapazitäten für das "grenzüberschreitende Miteinander" bereitstellen.
In Bayern sollen künftig alle Mitarbeiter, Patienten und Bewohner in Kliniken, Pflege- und Altenheimen regelmäßig auf Corona-Infektionen getestet werden. Es gebe jetzt hier eine klare Priorität, gleichzeitig bleibe es aber bei Tests auf freiwilliger Basis, sagte Söder. Auch das Personal in Kindergärten und Schulen soll künftig mehr Möglichkeiten für freiwillige Tests erhalten, dadurch werde sich die "Akzeptanz für Schulen und Kindergärten deutlich erhöhen".
Zudem soll es in Bayern nach Worten Söders eine Garantie für schnelle Corona-Tests geben: Wer Symptome hat, soll binnen 24 Stunden getestet werden und binnen weiterer 24 Stunden das Ergebnis bekommen - man soll also spätestens nach 48 Stunden Bescheid wissen. Aber auch ohne Symptome solle binnen 48 Stunden ein Test erfolgen können, sagte Söder. Das Ergebnis solle dann spätestens innerhalb einer Woche vorliegen.
In Bayern gab es am Dienstag nach Angaben Söders noch 2230 Infizierte - das entspreche einem Anteil von 0,017 Prozent der Bevölkerung. Diese Zahlen seien im Moment stabil - aber es gebe keinen Anlass zur Entwarnung. "Corona bleibt tödlich", betonte der Ministerpräsident.